Trotz Sanierung erneuter Steinschlag am gefährlichsten Heimweg der Schweiz
«Fahrlässig und arrogant!»

Mit einem Millionen-Bauprojekt hat der Kanton Nidwalden eine Strasse in Kehrsiten saniert. Ziel war es, dem gefährlichen Steinschlag Herr zu werden. Dennoch ist erneut ein Felsbrocken auf die Strasse geknallt. Ein Anwohner zeigt sich besorgt.
Publiziert: 20.09.2022 um 16:42 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2022 um 16:15 Uhr
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Ein Felsbrocken ist auf das Dach seiner Badehütte gekracht.
Foto: zVg
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Fabian BabicRedaktor News

Das hätte ein furchtbares Ende nehmen können. Am Sonntag machte Clemens Otto (65) aus Kehrsiten NW einen erschreckenden Fund: Auf dem Dach seiner Badehütte liegt ein grosser Felsbrocken. Er schätzt das Gewicht auf rund 30 bis 40 Kilogramm. Der Brocken fiel von der Felswand ab, die unmittelbar neben der Strasse liegt. «Wenn hier ein Mensch gestanden wäre, hätte der das nicht überlebt», sagt Anwohner Otto zum massiven Steinschlag.

Das Brisante: Die Nidwaldner Baudirektion führte an ebendieser Strasse eine umfangreiche Sanierung durch – unter anderem, um den Schutz vor Steinschlag zu verbessern. Die Bauarbeiten erschwerten den Anwohnern das Leben massiv. Gegenüber Blick erzählten sie von lebensgefährlichen Zuständen.

Zwei Löcher im Dach

Der Brocken knallte nicht direkt auf das Dach, vermutet Otto. Zunächst sei der Felsbrocken auf der Strasse gelandet, von wo aus er auf das Dach spickte und dort zweimal einschlug. Die beiden Löcher im Dach zeugen von der zerstörerischen Wucht des Felsbrockens. Wie hoch der Sachschaden ist, kann Otto derzeit nicht abschätzen.

Dabei handle es sich nicht um den ersten Vorfall dieser Art. Schon mehrfach sei es an ebendieser Stelle zu Steinschlägen gekommen, berichtet der Anwohner gegenüber Blick: «Die zwei grössten Felsbrocken habe ich in meinem Vorgarten aufgestellt. Für mich sind sie eine Art Mahnmal für die Gefahren, die diese Strasse birgt.»

Drumherum abgesichert

Was Clemens Otto allerdings am meisten schockiert, ist das Vorgehen der Behörden. Im Jahr 2017 hat der Nidwaldner Regierungsrat beschlossen, die Kehrsitenstrasse umfassend zu sanieren. Dem Entscheid ist ein massiver Felsbruch im Sommer 2016 vorangegangen. «Dieser Vorfall zeigte erneut die Dringlichkeit von Massnahmen zum Steinschlagschutz an der Kehrsitenstrasse auf», schreibt das kantonale Amt für Mobilität auf der Projekt-Website. Der Gesamtkredit für das Bauprojekt umfasst 16,4 Millionen Franken.

Mehrere Massnahmen, wie etwa die Installation von Schutznetzen, sind umgesetzt worden. Allerdings ist an besagter Stelle nichts geschehen, erzählt Otto. Für ihn ist das unverständlich: «Das ist völlig fahrlässig!» Er stellt sich die Frage, warum man nicht mit den Anwohnern geredet hat. «Es gibt Leute, die hier seit Jahrzehnten leben, aber die Behörden haben einfach ohne sie geplant.»

Zwar wendet Otto ein, dass man natürlich nicht über den ganzen Strassenverlauf Schutznetze aufstellen könne. Aber gerade an dieser Stelle sei es schon mehrmals zu gefährlichen Steinschlägen gekommen.

Restrisiko könne nicht ausgeschlossen werden

Zum konkreten Vorfall könne das zuständige Amt auf Blick-Nachfrage keine gesicherten Angaben machen. Die Abklärungen dazu seien allerdings im Gang, sagt Stephanie von Samson, Leiterin des Amts für Mobilität. «Geologen sind aufgeboten, um eine Ereignisanalyse vorzunehmen.»

Es stellt sich die Frage: Warum fehlen ausgerechnet dort, wo es schon mehrfach geknallt haben soll, die Schutznetze? Von Samson erklärt, dass das Sanierungskonzept für den Steinschlagschutz auf einer umfassenden geologischen Analyse und einem integralen Risikomanagement nach Bundesvorgaben basiere. «Trotz aller mit beträchtlichem Aufwand getroffenen Schutzvorkehrungen kann nie eine absolute Sicherheit gewährleistet werden.» Ein Restrisiko für Felsabbrüche und Steinschläge könne nie ausgeschlossen werden, betont die Amtsleiterin.

Trotz der jahrelangen Sanierung ist für Anwohner Otto auch heute noch klar: «Diese Strasse ist eine Wundertüte.» Er mache sich ernsthafte Sorgen um die Sicherheit aller Personen, die diese Strasse passieren müssen. Dass aber nun etwas geschehe und Geologen vor Ort den Vorfall analysieren, beruhigt Otto: «Das zeigt mir, dass die Probleme langsam endlich ernst genommen werden.»

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