Hier wird der Angeklagte ins Gericht gefahren
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Prozess in Luzern:Hier wird der Angeklagte ins Gericht gefahren

Selena K. (†29) in Emmenbrücke LU getötet – Julian P. (36) gibt Opfer die Schuld
«Ich habe mich nur gewehrt und will einen Freispruch»

60 Mal soll Julian P. mit dem Messer Selena K. attackiert haben. Dann soll er die Leiche in seiner Wohnung in Emmenbrücke LU versteckt haben – in einer Schachtel. Jetzt muss er sich vor Gericht verantworten.
Publiziert: 24.10.2023 um 00:36 Uhr
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Aktualisiert: 31.10.2023 um 16:00 Uhr
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Julian P. ist wegen Mordes angeklagt.
Foto: zVg

60-mal soll Julian P.* (36) mit dem Messer Selena K.* (†29) attackiert haben. Dann soll er die Leiche in seiner Wohnung in Emmenbrücke LU versteckt haben. Die Details der Tat vom 8. Juli 2021 sind schrecklich. Auch am zweiten Prozesstag lässt das den Beschuldigten aber weiterhin kalt. Eisern hält er an seiner Version fest: Nicht er hat seine damalige Freundin mit dem Messer umgebracht, sondern sie hat ihn attackiert, er hat sich nur gewehrt. «Ich weiss, dass ich unschuldig bin. Ich kämpfe, bis ich einen Freispruch erreicht habe», sagt er in seinem Schlusswort. Folgen die Richter aber dem Willen der Staatsanwältin, muss er lange warten. Sie fordert eine lebenslange Haftstrafe für den Lehrer.

Die Staatsanwältin verlangt in ihrem Plädoyer eine Verurteilung wegen Mordes. Sie sagt: «Er ging mit einem scharfen Messer auf sie los, stach 66-mal zu, meistens mit grosser Kraft. Er hörte erst auf, als es keine Lebenszeichen mehr gab. Er handelte besonders skrupellos.» Und weiter: «Er wollte die Kontrolle nicht verlieren, sie nicht allein verreisen lassen. Er stellte seine niederen Motive über das Leben seiner Freundin. Er handelte krass egoistisch.»

Staatsanwältin spricht von «skrupellosem Mord»

Gegen die Version der Verteidigung, dass sich der Beschuldigte nur gewehrt haben soll, fährt die Staatsanwältin schwere Geschütze auf. Sie sagt: «Er kann den angeblichen Angriff nicht in Details schildern. Die Aussagen sind konstruiert und erfunden. Er sagt zum Beispiel, sie habe das Messer immer in der rechten Hand gehalten. Ihre rechte Hand aber war durch Abwehrbewegungen mit 22 Schnitten und Stichen schwer verletzt. Das wäre gar nicht möglich gewesen.»

Die Staatsanwältin ist sich sicher: «Es war ein äusserst skrupelloser Mord. Trotz einer durch Long Covid leicht eingeschränkten Schuldfähigkeit ist eine lebenslange Haft angemessen. Er unterscheidet sich von der normalen Bevölkerung. Er hat eine schwere psychische Störung. Die Rückfallgefahr ist erheblich.»

Die Verteidigung hielt konsequent gegen die Version der Anklage. Der Verteidiger stellte auch das Gutachten des forensischen Psychiaters Frank Urbaniok als reine Spekulation dar. Die Expertise des Professors kam zum Schluss, dass der Beschuldigte psychische Risikoeigenschaften in sich trägt, die einen Mord unter den gegebenen Umständen möglich machen. Die Verteidigung will für Julian P. einen vollen Freispruch vom Mordvorwurf. Für die 851 Tage in Untersuchungshaft verlangt er eine Entschädigung über 170’000 Franken. Das Urteil soll am 9. November verkündet werden.

* Namen geändert

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