Neun Menschen starben innerhalb von drei Wochen im Altersheim «dr Heimä» in Giswil OW an Corona. Einige von ihnen waren ungeimpft. Die Vorwürfe gegen das Pflegeheim wiegen schwer: Im Sommer trugen die Angestellten des Altersheims keine Masken.
Björn K.* (50) sagt zu Blick: «Die Heimleitung forderte uns in ernstem Ton auf, vor den Patientinnen und Patienten die Masken abzulegen.» Der Grund: Es gebe kein gutes Bild ab. K. hat vergangenen Frühling im Altersheim «dr Heimä» als Pfleger gearbeitet.
Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, reagiert Daniel Kiefer, Geschäftsführer des Altersheims, am Donnerstag mit einem schriftlichen Communiqué: «Ich bitte Sie, dies umgehend der Polizei zu melden – oder wir tun es.» Und weiter: «Wir nehmen zu laufenden Anschuldigungen und Ermittlungen keine Stellung mehr, es gilt die Unschuldsvermutung.»
Das Personal protestierte
Am Mittwoch nahmen Stiftungsratspräsident Albert Sigrist und Heimchef Kiefer vor den Medien noch öffentlich Stellung. Die Maskenpflicht habe man als Empfehlung aufgenommen, sagte Kiefer an einer Pressekonferenz. Und: Die Entscheidung, auf Masken zu verzichten, sei in Absprache mit dem Gesundheitsdepartement gefallen. Aber: Das Tragen der Gesichtsmaske ist gemäss Covid-19-Verordnung eine Pflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen. Also auch im Umgang mit den betreuten Personen im Altersheim.
«Wer trotzdem eine Maske getragen hat, dem wurde gesagt, dass man sie auszuziehen und sich an die Linie des Hauses zu halten habe», erzählt Ex-«dr Heimä»-Pfleger Björn K. «Das Personal protestierte. Weil es nicht verstanden hat, warum man keine Masken tragen darf, wenn es doch das BAG vorgeschrieben hat.»
Druck, Angst, Kündigungen
«Die Heimleitung hat Druck ausgeübt. Viele Mitarbeitende haben Angst gehabt», sagt K. Einige hätten schliesslich auch gekündigt, weil der Schutz der Bewohner und Bewohnerinnen nicht gewährleistet werden konnte.
Auch Björn K. hat das «dr Heimä» nach nur zwei Monaten wieder verlassen. «Ich habe gekündigt, weil die Vorschriften des BAG nicht eingehalten wurden. Wir konnten uns und die Bewohnenden des Alters- und Pflegeheims nicht schützen.»
«Jemand muss für die Toten verantwortlich gemacht werden»
Er sei geschockt und traurig gewesen, als er von den Corona-Todesfällen gehört habe, erzählt K. «Man hätte ganz einfach die Hygienevorschriften und Schutzmassnahmen einhalten können.» Die neun Toten waren für ihn schliesslich der Anlass, an die Öffentlichkeit zu treten. «Es ist wichtig, dass die Geschichte öffentlich gemacht wird; dass man drüber redet und jetzt endlich die BAG-Richtlinien eingehalten werden. Und dass jemand für die Todesfälle verantwortlich gemacht wird», sagt er.
Am Mittwochabend kamen die Freiheitstrychler nach Giswil, um vor den Türen des Heims eine Totenwache abzuhalten. Mit Fackeln statt Glocken marschierten sie mit anderen Personen in Richtung Heim. Ein Pfarrer hielt eine Gedenkfeier ab, auch Angehörige der Opfer waren anwesend.
Die Polizei hat sich nach der Todesserie im Altersheim eingeschaltet. «Aufgrund der Berichterstattung wurde ein polizeiliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, das den Vorwürfen auf den Grund geht», heisst es bei der Staatsanwaltschaft. Im Raum stehe ein Offizialdelikt.
* Namen bekannt