Statt mit Glocken auf den Schultern kamen sie mit Kerzen und Fackeln in den Händen. Offenbar nicht aus Protest, sondern aus Trauer. Gestern schlugen die Freiheitstrychler leise Töne an vor dem Altersheim «dr Heimä» in Giswil OW.
Innert drei Wochen sind neun Seniorinnen und Senioren an Corona gestorben. Wie die «Luzerner Zeitung» schreibt, waren sechs von ihnen ungeimpft. Die Vorwürfe gegen das Pflegeheim wiegen schwer. Wie die «Luzerner Zeitung» berichtet, sei die Maskenpflicht systematisch missachtet worden. Im Sommer haben die Angestellten keinen Mundschutz getragen – und seien von der Geschäftsleitung auch dazu aufgefordert worden. Zivilschützer, die noch im September im Alterszentrum im Einsatz waren, haben die klare Anweisung erhalten, die Maske abzulegen.
Freiheitstrychler nutzen Tragödie für ihre Zwecke
Ausgerechnet die Freiheitstrychler, die sonst immer wieder gegen die Massnahmen protestieren, versammelten sich vor dem Heim und hielten zum Gedenken an die Corona-Toten eine Trauer-Zeremonie ab. Und benutzten die Tragödie für ihre Zwecke. Die Botschaft: Der Tod gehört nun einmal zum Leben – ob Masken oder nicht, Pandemie hin oder her.
Gemeinsam wurde mit anderen Anwesenden und einem Pfarrer gesungen und gebetet. Auch eine Schweigeminute wurde abgehalten. Bevor das Zeremoniell mit dem Lied «Hallelujah» beendet wurde, legten die Freiheitstrychler Kerzen vor dem Heim nieder. Nicht nur zum Gedenken an die Toten, sondern auch als Zeichen für die Unterstützung des Heimleiters und seiner Angestellten.
«Zwei Jahre kein Lächeln sehen, ist schlimmer, als Corona kriegen»
Die Zeremonie sei eine Herzenssache gewesen. «Es geht nicht nur um Politik, sondern um den Menschen. Es war uns ein Anliegen, um die Toten zu trauern», sagt Freiheitstrychler Cyrill V.* (32) zu Blick. «Dass Bewohner von Pflegern mit Masken während zwei Jahren kein Lächeln sehen, ist für mich viel schlimmer, als wenn man an Corona erkrankt. Und dann sterben halt Einzelne.»
Die Polizei sieht das anders. Sie hat sich nach der Todesserie im Altersheim eingeschaltet. «Aufgrund der Berichterstattung wurde ein polizeiliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, das den Vorwürfen auf den Grund geht», heisst es von der Staatsanwaltschaft. Im Raum stehe ein Offizialdelikt.
Gestern stellte sich die Leitung des betroffenen Heims an einer Pressekonferenz den Fragen der Öffentlichkeit. Stiftungsratspräsident Albert Sigrist sagte: «Die letzten zehn Tage gab es sehr viele Todesfälle, menschlich ist das sehr tragisch. Das ist unglaublich belastend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Bewohner.»
Maskenpflicht als «Empfehlung aufgenommen»
Die Maskenpflicht habe man als «Empfehlung aufgenommen», sagte Heim-Geschäftsführer Daniel Kiefer den anwesenden Medien. Und: Diesen vermeintlichen «Spielraum» hätten auch andere Pflegeheime in der Region wahrgenommen. Nur: Im Kanton Obwalden war die Maskenpflicht in den Heimen zu keinem Zeitpunkt aufgehoben.
Auch ist es so, dass positiv getestete Heim-Mitarbeiter unter Umständen weitergearbeitet haben. Das sei «möglich für Mitarbeiter, die keine Symptome haben», so Kiefer. Und: Diese hätten dann nur Kontakt mit positiven oder genesenen Bewohnern gehabt.
«Gibt nichts zu bereuen»
Trotz der schweren Vorwürfe: Fehler, für die man sich entschuldigen müsste, mag Stiftungsratspräsident und SVP-Kantonsrat Sigrist beim Heim keine erkennen. «Wir sehen nicht unbedingt einen zwingenden Zusammenhang zwischen Maske und Ausbrüchen. Darum gibt es auch nichts zu bereuen. Sobald wir merkten, dass es kritisch wurde, haben wir die Masken sofort wieder angelegt.»
Mehr noch: Sigrist wittert eine Verschwörung im Hinblick auf das Covid-Referendum, das am 28. November vors Volk kommt. «Wenn man sieht, was jetzt für eine Abstimmung kommt, sind wir ein gefundenes Beispiel, wo man sagen kann: ‹Jetzt haben wir einen, den wir packen können.› Ich will, dass das aufhört, ich will Ruhe. Und ich will, dass alle wieder gesund sind.»
* Namen bekannt