Darum gehts
- Fortschritte in der Tiermedizin ermöglichen aufwendige und teure Behandlungen für Haustiere
- Tierbesitzer verschulden sich teils für Behandlungen ihrer geliebten Vierbeiner
- Eine Familie gab über 7000 Franken für die Behandlung ihrer Katze aus
Lieber Tausende von Franken für den Tierarzt ausgeben – oder den Kindern erklären, dass das geliebte Büsi eingeschläfert werden muss: Die moderne Tiermedizin bringt Haustierbesitzer ins Dilemma. Denn was vor einigen Jahren noch undenkbar war, ist heute möglich: Chemotherapien und Hüftprothesen für Hunde, Psychopharmaka und Chiropraktik für Katzen – sogar Schönheits-OP gibt es für Vierbeiner! Nur: Die Preise für solch komplizierte Eingriffe sind für viele unerschwinglich.
Und so gehen manche Frauchen und Herrchen so weit, dass sie sich verschulden. Oder sie sammeln im Internet Spenden. Auf entsprechenden Plattformen finden sich Dutzende Spendenaufrufe.
Einer dieser Spendenaufrufe betrifft die Katze Simba (4). Woran genau sie leidet, wissen ihre Besitzer trotz zahlreicher Untersuchungen immer noch nicht. Um aber weiterleben zu können, braucht das Tier eine regelmässige Behandlung, sogar ein MRI wurde gemacht. In einer Tierklinik entdeckte man, dass das Büsi Wasser auf der Lunge hat. Weil es zudem nicht ass, wurde eine Magensonde gelegt.
Kostenpunkt bisher: 7000 Franken! «Und das wird leider auch nicht das Ende sein», erzählt Alex Liprani (25) aus Ferden VS. Sie rechnen mit Kosten bis zu 10'000 Franken. Er hat den Spendenaufruf gemeinsam mit seiner Partnerin Sara Nanzer ins Netz gestellt: «Für unsere Familie ist Simba fast wie eine Tochter.»
Rasante Entwicklung in der Tiermedizin
Die Entwicklung in der Tiermedizin sei positiv, wie Julika Fitzi-Rathgen, Tierärztin und Juristin und seit letztem Jahr auch Geschäftsleitungsmitglied beim Schweizer Tierschutz (STS), sagt: «Früher wurde oft sehr schnell entschieden, ein krankes Tier einzuschläfern. Heute investieren viele Halter mehr Zeit und Geld, um herauszufinden, woran das Tier leidet und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.»
Derweil treibt die Tierliebe aber auch seltsame Blüten. Dem Trend zu plastischer Chirurgie bei Tieren – vor allem im Ausland – kann Fitzi-Rathgen nur wenig abgewinnen: «Manche Eingriffe haben wenig mit dem Tierwohl zu tun, etwa Hodenimplantate nach einer Kastration aus ästhetischen Gründen.» Ebenfalls kritisch sieht sie Chemotherapien: «Diese sind oft extrem belastend, und die Prognose ist unsicher.»
Auch die Tierschutzorganisationen sind regelmässig damit konfrontiert, dass sich Halterinnen und Halter die teuren Behandlungen nicht leisten können. Für Tierhalter in Notsituationen gebe es zahlreiche Fonds, an die man sich wenden könne, so Fitzi-Rathgen. Es brauche allerdings Nachweise, etwa Sozialhilfe- oder Ergänzungsleistungsbescheide oder Steuerunterlagen. «In der Regel werden diese Anträge durch die lokalen Sektionen des Schweizer Tierschutzes geprüft, was garantiert, dass die Gelder auch diejenigen erreichen, die sie brauchen.»
Kosten können Halter finanziell schwer belasten
Eigentlich erwarte man aber, dass sich eine Halterin im Voraus Gedanken mache, ob sie sich ein Tier leisten könne – auch wenn Unvorhersehbares geschieht: «Eine Tierkrankenversicherung macht grundsätzlich Sinn. Viele Routinekosten, wie Kastration oder Impfungen, werden aber häufig nicht abgedeckt.» Diese verursachen jedoch zum Teil auch hohe Kosten, die die Halter selbst stemmen können sollten, wenn sie sich ein Haustier zulegen.
Weniger bürokratisch für die Halterinnen, aber umso risikoreicher für die Spender sind Aufrufe auf sogenannten Crowdfunding-Plattformen wie Gofundme.com. Bei den privaten Aufrufen auf dieser Website handelt es sich überwiegend um Hunde und Katzen. Aberdutzende Spendenaufrufe sind auf der Website zu finden – und das sind nur die Aktuellen! Die meisten dieser Aufrufe haben Spendenziele zwischen 1000 und 5000 Franken, nur wenige erhalten eine vierstellige Summe.
Anders beim Labradorrüden Milow. Nach einer Vergiftung wurde der Hund schwer krank. Beim Spendenaufruf kamen unglaubliche 5500 Franken zusammen. Weniger Glück hatte die Katze Tosia. Nach einem Unfall musste man ihr den Schwanz amputieren. Die Wunde wächst aber nicht zu, und so summieren sich die Ausgaben mittlerweile auf 4500 Franken, wovon erst 155 Franken gespendet wurden. Besonders schmerzhaft und teuer ist die Behandlung des Rüden Huncho. Rund 100 Nierensteine mussten bei ihm entfernt werden. Die Kosten: 7000 Franken, wovon bisher ein Viertel zusammengekommen ist.
Fundraising: Chance und Risiko
Die Spender müssten sich aber die Frage stellen, ob ihre Gelder auch wirklich dort ankommen, wo sie vorgesehen sind, sagt Fitzi-Rathgen: «Wer sichergehen möchte, dass Spenden dem Tierwohl dienen, sollte sich eher an grössere Tierschutzorganisationen wenden.»
Für Simbas Familie sind diese Überlegungen Makulatur: «Wir möchten, dass sie wieder gesund wird», sagt Liprani. Die Familie gehe zwar nicht in Konkurs wegen der Behandlungen, müsse sich aber einschränken. Die Spender auf Gofundme.com halte man über Updates auf dem Laufenden und mache alle Behandlungen transparent. Mittlerweile sind 1300 Franken zusammengekommen, bei einem Spendenziel von 1600 Franken.
Die Magensonde sei mittlerweile weg, und Simba bewege sich schon wieder ganz passabel, dennoch wartet die Familie immer noch auf das Ergebnis einer Blutuntersuchung. «Wir versuchen weiterhin alles, um sie zu retten», sagt Liprani. «Nur wenn es sich um eine unheilbare Krankheit handelt, wären wir gezwungen, aufzugeben.» Daran habe man aber bisher keinen Gedanken verschwendet.