Psychologe über die Stolperfallen im Umgang mit Pflegekindern
«Jedes vierte kämpft mit Loyalitätskonflikten»

Kinderpsychologe Marc Schmid plädiert dafür, dass Pflegekinder mitentscheiden sollen, wie sie ihre Wochenenden gestalten wollen. Denn Loyalitätskonflikte können gravierende Auswirkungen auf die Kinder haben.
Publiziert: 08.05.2023 um 01:16 Uhr
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Aktualisiert: 08.05.2023 um 09:55 Uhr
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Kinderpsychologe Marc Schmid.
Foto: UPK Basel
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Martin MeulReporter News

Silvan* (9) lebt praktisch seit seiner Geburt bei Pflegeeltern, seine leiblichen Eltern Isabelle T.* (28) und Stefan H.* (30) galten als nicht erziehungsfähig. Dennoch hat der Junge regelmässig Kontakt zu Mama und Papa, verbringt die Wochenenden mit ihnen. Immer wieder kommt es dabei zu Konfliktsituationen, teilweise lehnt Silvan es ab, Zeit mit seinen Eltern zu verbringen, will lieber bei den Pflegeeltern sein.

Marc Schmid (51), Kinderpsychologe und Privatdozent an der Universität Basel, kennt sich mit derartigen Situationen aus. «Solche Loyalitätskonflikte sind sehr häufig, Studien gehen davon aus, dass jedes vierte Pflegekind mit Loyalitätskonflikten zu kämpfen hat», sagt er. Mit teils erheblichen negativen Folgen. «Loyalitätskonflikte stressen und belasten die Kinder, was sich auf neurobiologischer Ebene nachweisen lässt. Kinder mit starken Loyalitätskonflikten entwickeln auch häufiger psychische Erkrankungen.»

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Kind soll mitentscheiden

Für den Kinderpsychologen ist deshalb klar, dass Kinder nicht zum Umgang mit den Eltern gezwungen werden sollten. «Das Kind soll mitentscheiden, wie es seine Wochenenden gestalten möchte», betont Schmid. Es sei schliesslich nicht im Interesse der Eltern, wenn das Kind nur zu ihnen komme, weil es müsse. «Ausserdem sollte man die Umgangsregel auch nicht zu Macht- oder Konkurrenzkämpfen zwischen Eltern und Pflegeeltern werden lassen.»

Wichtig ist in diesem Sinne für Schmid, dass eine neutrale Person, zum Beispiel der Beistand oder ein Kinderanwalt, mit dem Kind gemeinsam herausfindet, was die Konflikte auslöst und was sich die Kinder für die Kontakte mit den leiblichen Eltern wünschen. «Vielleicht ist es manchmal ein einfach lösbares Problem», so Schmid.

Wenn ein Kind das Wochenende nicht bei seinen Eltern verbringen will, so kann dies für den Kinderpsychologen aber auch einfach Teil der natürlichen Entwicklung sein. «Auch sich gut entwickelnde Jugendliche in einer ganz normalen Familie haben wenig Lust, das ganze Wochenende mit ihren Eltern verplant zu haben», sagt der Kinderpsychologe. Es gehe daher oft nicht zwingend gegen die leiblichen Eltern, wenn die Kinder keine Lust hätten.

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