Auf einen Blick
- Arbeitsloser katholischer Priester lebt von Sozialhilfe im Bahnhof Hohtenn VS
- Antony Kandath wurde zweimal als Pfarrer entlassen, sucht verzweifelt Arbeit
- Seit 2021 wohnt der 63-Jährige im obersten Stock des Bahnhofsgebäudes
Es ist die Geschichte eines tiefen Falls. Der Gefallene – ein katholischer Priester. Antony C. Kandath (63) kommt aus Indien über Deutschland und das Bistum Chur 2016 ins Wallis. Hier wird er mit offenen Armen empfangen, beginnt seinen Dienst als Pfarrer von Grächen VS. Jetzt, knapp acht Jahre später, ist er ganz unten: arbeitslos und auf Sozialhilfe angewiesen. Wie konnte es so weit kommen?
Die Spur führt zum Bahnhof von Hohtenn VS. Dieser ist sehr klein, aber erstaunlich gut frequentiert – dafür, dass es bis zum Dorf rund vier Kilometer Strecke sind. Der rege Betrieb liegt an den vielen Wanderern, die von hier aus zu Ausflügen an der sonnigen Südrampe des Wallis aufbrechen.
Für Antony Kandath ist der Bahnhof allerdings genau das Abstellgleis, das man von einem solch abgelegenen Bahnhof erwarten würde. Seit 2021 haust der katholische Priester im obersten Stock des alten Bahnhofsgebäudes. Zu Blick sagt er: «Ich bin verzweifelt, habe keinen Job und kein Geld. Herr hilf mir, ich weiss nicht mehr weiter.»
Mit Bistum Sitten überworfen
Ein arbeitsloser katholischer Priester? Das erstaunt, herrscht doch nicht nur im Bergkanton Wallis an allen Ecken und Ende Priestermangel. Doch die Beziehung zwischen Antony Kandath und dem Bistum Sitten ist kompliziert, eigentlich komplett zerstört.
Schon zweimal wurde Kandath von seinem Job als Pfarrer gefeuert. Einmal in Grächen, einmal in Sitten selbst. In Grächen geriet der Priester mit der Bevölkerung aneinander, die Messen waren kaum noch besucht. Kandath wurde 2017 entlassen, bekam später aber eine zweite Chance in der Kantonshauptstadt. Doch lange ging es nicht gut. Im Jahr 2021 sah sich Kandath als Mobbingopfer, behauptete, dass ihm widerrechtlich gekündigt worden sei. Das Bistum warf ihm hingegen vor, die Finanzen der Pfarrei nicht im Griff zu haben. Kandath hatte sich dagegen gewehrt, dass die Gelder der Pfarrei St. Theodul mit denen der anderen Sittener Pfarreien zusammengelegt werden. «Ich wollte, dass wir finanziell unabhängig bleiben», sagte er damals. Es folgten gegenseitige Beschuldigungen, sogar ein Handgemenge soll es gegeben haben. Dann kamen der erneute Bruch und die zweite Entlassung. Mit happigen Konsequenzen für den Priester. Paul Martone, Sprecher des Bistums Sitten, sagt zu Blick: «Das Thema Antony Kandath ist für uns abgeschlossen. Eine Anstellung wird es im Bistum Sitten nicht mehr geben.»
«Suche einen Job, egal, was»
Seitdem ist der Ex-Pfarrer auf Jobsuche. Doch die klappt trotz Priestermangel nicht. Der aus Indien stammende Kandath sieht die Gründe dafür in seinem angekratzten Verhältnis zum Bistum Sitten. Er sagt: «Wenn ich mich irgendwo bewerbe, bekomme ich aus Sitten halt keine guten Referenzen.» Darum habe er bis heute keine neue Pfarrei bekommen, auch nicht in einem anderen der Schweizer Bistümer, ist Kandath überzeugt.
Deshalb musste sich der Priester anderweitig umsehen. Nach seiner Kündigung hat er kurzzeitig in einem Altersheim gearbeitet. «Das konnte ich aber nicht mehr weitermachen, weil ich einen Herzinfarkt hatte», sagt er. Seit längerem ist Kandath aber nun arbeitslos, die Arbeitslosenversicherung zahlt inzwischen nicht mehr. Kandath lebt von der Sozialhilfe. «Ich weiss nicht, wie ich meine Auslagen bezahlen soll», sagt er. Gerade sei eine happige Rechnung von der Serafe AG ins Haus geflattert, wegen der Abgeschiedenheit seiner Wohnung brauche er auch ein Auto. «Es reicht kaum fürs Essen.»
Wie er diesen Monat die Miete für seine Wohnung bezahlen solle, wisse er nicht, sagt Kandath. «Ich suche einen Job, egal, was.» Nur schwer heben könne er wegen des Herzinfarkts nicht mehr.
Noch immer Priester
Trotz seiner schwierigen Situation, vom Glauben abgefallen ist Antony Kandath nicht. In seiner Wohnung hat er sich einen Altar eingerichtet. «Hier lese ich jeden Tag eine Messe», sagt er. Auch wenn es für Priester Kandath keine eigene Pfarrei mehr gibt, von Zeit zu Zeit trifft man ihn immer noch in einer der Oberwalliser Kirchen an. Aushilfsmässig liest er weiterhin Messen. «Dafür bekomme ich dann 10 Franken pro Messe, wenigstens etwas», sagt Kandath.
Das ist für das Bistum Sitten auch in Ordnung so. Dennoch habe der Bischof von Sitten Antony Kandath geraten, in seine indische Heimat zurückzukehren, sagt der Bistumssprecher Martone. «Das kann ich aber nicht. Als katholischer Priester mit einem deutschen Pass würde ich in Inden verfolgt werden», behauptet Kandath. Seine Zukunft liege in der Schweiz, ist der Ex-Pfarrer überzeugt. «Wie auch immer diese aussieht», sagt er.