«Über Jahrzehnte sickern Giftstoffe ins Grundwasser»
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Umweltschützerin Sonja Oesch:«Hier lagern fünf bis sechs Millionen Tonnen Giftmaterial»

Deponie Gamsenried VS – Umweltverbände kritisieren Schutzmauer der Lonza
«Das ist die grösste Giftdeponie der Schweiz – da muss alles dicht sein!»

Bei Brig-Glis VS liegt die grösste Giftdeponie der Schweiz. Umweltschützerin Sonja Oesch (45) kritisiert die geplante Dichtmauer als unzureichend. Die Mauer könnte undicht sein und die Schadstoffvielfalt werde unterschätzt. Die Deponiebetreiberin Lonza nimmt Stellung.
Publiziert: 11.04.2025 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2025 um 10:44 Uhr
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Die Deponie Gamsenried gilt als grösstes Giftloch der Schweiz.
Foto: Kanton Wallis

Darum gehts

  • Grösste Giftdeponie der Schweiz bei Brig-Glis VS bereitet Umweltschützern Sorgen
  • Lonza lagerte bis 1978 gefährliche Stoffe wie Benzidin und Quecksilber
  • Deponie enthält bis zu 4 Millionen Tonnen verschmutztes Material auf 40 Fussballfeldern
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin MeulReporter News

Der Blick von Sonja Oesch (45) von der Oberwalliser Gruppe Umwelt und Verkehr ist kritisch und nachdenklich. Blick trifft die Umweltschützerin hoch über der Deponie Gamsenried bei Brig-Glis VS. «Das ist die grösste Giftdeponie der Schweiz», sagt Oesch mit Blick über das weitläufige Gelände. «Hier lagern Stoffe, die sehr gefährlich sind, von denen schon kleinste Mengen ausreichen, um die Gesundheit massiv zu schädigen.»

Es ist seit Jahren bekannt: Verursacher des Giftproblems ist der Pharmakonzern Lonza. Bis 1978 hat er die giftigen Stoffe, wie Benzidin, Anilin oder Quecksilber, hier hingebracht – seitdem lagern die Stoffe dort. Benzidin kann Blasenkrebs verursachen, schon kleinste Mengen reichen dafür aus. Anilin ist ebenfalls sehr giftig, genauso wie Quecksilber. Das Problem: Die Deponie ist undicht.

Sonja Oesch erklärt: «Seit Jahrzehnten sickern die Giftstoffe ins Grundwasser und in die Rhone.» Die Masse an Gift, die in Gamsenried lagert, ist gewaltig. Der Kanton Wallis geht davon aus, dass es bis zu vier Millionen Tonnen verschmutztes Material sind, dies auf einer Fläche von 40 Fussballfeldern – somit ist es das grösste Giftloch der Schweiz. «Aus meiner Sicht ist das eine noch grössere Sache als die Sondermülldeponie in Kölliken», so Oesch. Diese Aargauer Deponie musste über viele Jahre saniert werden, es entstanden Kosten von 900 Millionen Franken.

Eine undichte Dichtmauer?

Saniert werden soll auch in Gamsenried. Doch das ist aufwendig. Damit es überhaupt losgehen kann, muss erst einmal eine sogenannte Dichtwand gebaut werden. Diese 1,6 Kilometer lange und 30 Meter tiefe Wand am Rande der Deponie soll verhindern, dass weiterhin Gift ins Grundwasser sickert. Kostenpunkt 120 Millionen. Die Wand soll garantieren, dass vor allem während der Sanierungsarbeiten keine Chemikalien mehr austreten.

Soweit der Plan, doch für mehrere Umweltverbände gibt es dabei ein Problem. Oesch sagt: «Wir sind nicht sicher, ob die Dichtwand genügend abdichtet.» An manchen Punkten auf dem Abschnitt der Mauer könnte wegen der Bodenbeschaffenheit dennoch Gift ins Grundwasser gelangen. «Wir fordern von Lonza deshalb schon jetzt einen Plan B, falls die Dichtwand nicht wie erwartet funktioniert», betont Oesch und fügt an: «Man darf nicht warten, bis ein solches Szenario eintritt. Es muss einfach alles dicht sein!»

Lonza-Mediensprecher Mathias Forny sagt dazu gegenüber Blick: «Während des Baus der Dichtwand werden Qualitätssicherungsmassnahmen durchgeführt und Messungen vorgenommen, um die Dichtigkeit zu überprüfen.» Grundwassermodell-Berechnungen hätten gezeigt, dass die Dichtwand die Situation deutlich verbessern werde, so Forny weiter. Heisst: Die Mauer soll es bringen.

Weitere Kritik

Doch die Frage nach der Funktionstüchtigkeit der Dichtwand ist nicht die einzige Kritik, die es Richtung Lonza gibt. Der Konzern berücksichtige die enorme Schadstoffvielfalt in der Deponie zu wenig. Auch die möglicherweise vorhandenen, leichtflüchtigen Substanzen nehme der Pharmakonzern zu wenig ernst. «Bei den Grab- und Bauarbeiten besteht deshalb das Risiko, dass sie unkontrolliert die Umgebungsluft verschmutzen. Hier muss nachgebessert werden», so Umweltschützerin Oesch.

«Die kritischen Stoffe werden im Rahmen des Dichtwand-Projekts betreffend Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie dem Luft- und Gewässermonitoring berücksichtigt», hält Lonza-Sprecher Mathias Forny fest.

Trotz aller Kritik haben die Umweltverbände nicht gegen den Bau der Dichtwand eingesprochen. «Wir haben das Gefühl, dass Lonza unsere Anliegen ernst nimmt. Ausserdem ist es uns sehr wichtig, dass so schnell wie möglich mit dem Bau der Dichtwand begonnen wird», begründet Oesch. Die Umweltverbände behalten sich aber vor, bei späteren Bauvorhaben den Rechtsweg zu beschreiten. «Dies für den Fall, dass Lonza unsere Kritik nicht aufnimmt und das Projekt entsprechend anpasst», sagt Oesch. Begonnen werden soll mit dem Bau der Dichtwand in der zweiten Jahreshälfte.

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