Die alte Holztüre zum Camp «ZAD» auf dem Hügel Mormont bei Eclépens VD steht offen. Sie führt in eine andere Welt.
Ein Lagerfeuer brennt. Lautes Gelächter dringt über das Gelände. In einem Baumhaus, mehrere Meter in den Wipfel gebaut, spielt jemand Schlagzeug. Am Boden hackt ein anderer Zwiebeln fürs Abendessen – und im Sägemehl machen ein paar weitere Yoga.
Ein Paradies, eine bunte Utopie. Aber: höchst illegal.
Kampf gegen Zementwerk – Camp-Räumung steht bevor
Schon seit Oktober halten Umweltschützer den Hügel besetzt, wo Holcim den Kalkstein-Abbau ausweiten will. Die Aktivisten wollen den Ausbau des Zementwerks von Holcim stoppen. Der Baustoff verursacht in der Schweiz fünf Prozent aller CO2-Emissionen.
Der Zementmulti schreibt auf BLICK-Anfrage, dass man die Anliegen der Aktivisten ernst nehme und auch den Dialog suche: «Gleichzeitig ist die aktuelle Situation nicht legal und mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden.» Ein Gericht hat nun entschieden: Noch im März können die Behörden das Lager räumen.
Kein Problem für die aktuell rund 50 Aktivisten, die hauptsächlich aus der Romandie, Frankreich und Deutschland stammen. Sie wollen die erste sogenannte «Zone à défendre» (ZAD) der Schweiz mit vollem Körpereinsatz verteidigen. Kommt es hart auf hart, wollen weitere Unterstützer anreisen, wie BLICK am Donnerstag publik machte.
BLICK spricht mit den Aktivisten
Doch wer sind die Menschen, die seit Monaten auf dem Hügel unweit des Zementwerks hausen? BLICK hat die «Schutzzonenaktion» besucht – und trifft mehrheitlich junge, freundliche Leute. Anonym sprechen sie über ihre Mission.
Luca* wohnt seit etwa einem Monat bei den Besetzern. «Dank Corona habe ich arbeitsfrei. Diese Zeit nutze ich nun, um mich für eine bessere Gesellschaft einzusetzen», sagt sie zu BLICK.
Zu kalt, um im Zelt zu schlafen
Doch das Leben als Besetzerin ist kein Zuckerschlecken, so Luca weiter: «Man kommt an den Anschlag. Einmal musste ich sogar eine Woche wieder nach Hause reisen, weil es hier mit etwa minus 15 Grad einfach zu kalt war, um im Zelt zu übernachten.»
Strom gibt es im Camp nur sehr bedingt, auch Wasser ist keine Selbstverständlichkeit. «Wir sammeln Regenwasser. Aber als es so kalt war, ist das eingefroren», berichtet die Neu-Aktivistin weiter.
Kämpferische Ansagen
Auch die deutsche Aktivistin Lola* schwärmt von ihrer «Auszeit» in der Schweiz. Trotzdem hat sie ihr Ziel stets im Auge. «Dieses Zementwerk ist einer der grössten Klimasünder der Schweiz. Dagegen wollen wir kämpfen», erklärt sie bestimmt. Ihr geht es nicht nur um die Umwelt, sie behauptet: «Holcim hat beispielsweise auch Trump mit Material für seine Mauer unterstützen wollen.» Der Zementmulti dementiert. «LafargeHolcim ist nicht an Projekten beteiligt, die im Zusammenhang mit der Grenzmauer zu Mexiko stehen und hat sich auch nicht um die Teilnahme an solchen Projekten beworben», schreibt ein Sprecher.
Trotzdem ist auch Dau* aus Frankreich vor zwei Tagen mit diesem Gedanken im Hinterkopf angereist. Die Studentin ist das erste Mal bei einer Besetzung dabei: «Ich habe Ferien und bin hier, um zu kämpfen. Leider kann ich aber nicht bis zum Schluss dabei sein.»
Protest-Touristen auch aus Deutschland
Bis zum bitteren Ende bleiben will hingegen Dino*. Der Deutsche erzählt: «Ich habe auf Twitter gesehen, dass schon bald die Räumung ansteht und die ZAD dafür Leute braucht.»
Kampflos aufgeben will hier niemand. Es werde aber schon jetzt viel darüber diskutiert, wie weit man an Tag X gehen werde und wie man sich verteidigen will.
Für Dino steht fest: «Wenn mir Gewalt zugefügt wird, dann wehre ich mich auch. Ich werde diesen Ort bis zum Ende verteidigen.»
* Namen geändert