Bundesgericht entscheidet
Genf muss Klima-Aktivisten härter bestrafen

Das Kantonsgericht war zu lasch bei der Verurteilung eines Klimaaktivisten. Das hat das Bundesgericht entschieden. Sachbeschädigungen haben keinen «ehrbaren Charakter», so das höchste Schweizer Gericht.
Publiziert: 03.05.2023 um 12:01 Uhr
Das Bundesgericht beschäftigte sich mit dem «Marsch für das Klima» in Genf im Jahr 2018.
Foto: Keystone

Das Genfer Kantonsgericht muss einen Teilnehmer des 2018 durchgeführten «Marsch für das Klima» härter bestrafen. Der Mann malte rote Handabdrücke auf die Fassade eines Bankgebäudes. Für diese Aktion kann er sich nicht auf achtenswerte Beweggründe berufen, wie das Bundesgericht entschieden hat.

Das höchste Schweizer Gericht hat die Beschwerde der Genfer Staatsanwaltschaft gutgeheissen und das Urteil des Genfer Kantonsgerichts aufgehoben. Die Sache geht nun zur Neufestsetzung der Strafe an dieses zurück. Die in Anwendung von Artikel 48 des Strafgesetzbuches gewährte Strafmilderung verletzt Bundesrecht, wie das Bundesgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil schreibt.

Sachbeschädigungen sind nicht «ehrbar»

Die Bestimmung sieht die Möglichkeit einer Strafmilderung vor, wenn ein Täter aus achtenswerten Beweggründen, in schwerer Bedrängnis oder unter grosser seelischer Belastung gehandelt hat. Das Genfer Kantonsgericht gewährte dem Aktivisten diese Strafmilderung. Weil zudem das Verfahren lange gedauert hatte, erachtete es eine Busse von 100 Franken als ausreichende Strafe.

Laut Bundesgericht ist aufgrund einer allgemein anerkannten Werteskala zu beurteilen, ob ein Delikt aus achtenswerten Beweggründen begangen wurde. Die Sorge um die Auswirkungen des Klimawandels und um die Notwendigkeit, rasch Massnahmen zur Reduktion der Treibhausgase zu ergreifen, stelle unbestreitbar ein ehrbares Anliegen dar.

Politische Aktionen von Klimaaktivisten hätten insofern einen idealistischen und selbstlosen Charakter, soweit sie darauf abzielten, die Bevölkerung zu sensibilisieren. In jedem Fall auszuschliessen sei der ehrbare Charakter, wenn gewalttätige Aktionen zu Sachbeschädigungen oder zu einer Gefahr für Dritte führten.

Bundesgericht: Kein Bagatellfall

In einem Rechtsstaat wie der Schweiz, der im Bereich der politischen Rechte und der Meinungsäusserungsfreiheit weitgehende Garantien vorsehe, könnten solche Aktionen nicht mit politischen Idealen gerechtfertigt werden, führt das Bundesgericht aus.

Zu beachten ist gemäss Gericht zudem, dass die gelegentlich bei Klima-Aktionen geäusserten Aufforderungen zu zivilem Widerstand darauf abzielen können, die demokratische Legitimierung des Rechts infrage zu stellen – insbesondere des Strafrechts.

Aktionen von Klima-Aktivisten könnten daher nicht von vornherein als Ausdruck ethischer Werte angesehen werden, die von der gesamten Bevölkerung oder zumindest von einer Mehrheit mitgetragen würden.

In Betracht fallen könnte unter Umständen eine freie Strafmilderung wegen achtenswerter Beweggründe bei gewaltfreien Aktionen wie einem sehr kurzfristigen Sitzprotest auf öffentlichen Strassen, ohne dass dabei der Verkehr gestört oder die öffentliche Sicherheit gefährdet werde. Angesichts der begangenen Sachbeschädigung im konkreten Fall liegt dem verfolgten Ziel jedoch kein achtenswertes Motiv zugrunde, schreibt das Bundesgericht.

Bei einem «Marsch für das Klima» im Jahr 2018 in Genf löste sich der Aktivist zusammen mit anderen Personen aus dem Umzug und malte mit roter Farbe Handabdrücke auf die Fassade eines Bankgebäudes. Das Kantonsgericht Genf sprach den Mann im März 2022 der Sachbeschädigung schuldig.

Der verursachte Schaden von total 2250 Franken erachtet das Bundesgericht nicht als erheblich. Es handle sich aber auch nicht nur um einen blossen Bagatellfall. Dem Verurteilten wurden 410 Franken der Schadenssumme auferlegt. (SDA)

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