Auf einen Blick
- Fabien täuschte Frauen auf Datingapps, um Geld zu ergaunern
- Er nutzte ihre Verletzlichkeit und erzählte erfundene Geschichten
- Melissa verlor 10'000 Franken an den Betrüger
Es dauerte nur einen Monat. Dann leerte die Mittzwanzigerin Mélissa* ihr Sparkonto – 10'000 Franken – für die schönen Augen und die schwärmerischen Erklärungen von Fabien*. Der Mittdreissiger täuschte seine Opfer, die er in sozialen Netzwerken oder per Datingapps kennengelernt hatte.
«Ich hatte gerade schwierige Beziehungen mit Typen hinter mir, die sich nicht korrekt verhalten hatten. Ich hatte nicht mehr viel Selbstvertrauen. Als mir dieser alleinerziehende Vater sagte, er wolle eine ernste und stabile Beziehung aufbauen, habe ich es einfach mal versucht, ohne misstrauisch zu sein. Wir hatten viele Gemeinsamkeiten», erzählt die junge Frau mit den roten Haaren.
Melissa reitet? Fabien auch! Die Mittzwanzigerin kocht gerne? Fabien ist Koch! Sie mag Sport im Freien? Fabien ist Meister im Radfahren und Snowboarden! Fabien war «fast» für die Olympischen Spiele qualifiziert, aber eine schlimme Verletzung hätte ihn daran gehindert, daran teilzunehmen. «Er war ein guter Redner, er sagte die richtigen Worte zur richtigen Zeit», sagt die junge Frau rückblickend und erzählt, wie die Falle für sie zuschnappte.
10'000 Franken weg
«Am Abend unseres ersten Dates gelang es ihm, sich in die Wohnung meiner Mutter, bei der ich wohnte, einzuladen. Er hat sich dann etwa zehn Tage lang bei uns einquartiert. Er kochte, kümmerte sich um mich und zeigte sich von seiner besten Seite. Ich dachte, ich hätte das grosse Los gezogen.»
Nur dass Fabien gerade eine schlechte Phase durchmacht: Sein «florierendes» Cateringgeschäft ist gescheitert, seine Umschulung zum Fahrradmechaniker wurde durch eine Entlassung verhindert. Mit seiner Familie spricht er nicht. Ausserdem ist sein «sehr wohlhabender» Vater gerade auf Weltreise. Seine Ex-Freundin fordert zudem Unterhalt für ihren Sohn, die er nicht zahlen kann. «Das hat meine Mutter und mich sehr bewegt, und wir haben uns gesagt, dass jeder Mensch eine zweite Chance verdient hat.»
Diese zweite Chance nutzt Fabien: Unter dem Vorwand, er habe die Bank gewechselt und seine Konten seien gesperrt, bittet er Melissa, ihm zu helfen. «Er war in Panik. Er hatte Angst, das Sorgerecht für seinen Sohn zu verlieren, wenn er nicht bald den Unterhalt zahlt», sagte sie. «Ich hatte Mitleid, ich lieh ihm 2000 Franken und bezahlte auch seine Telefonrechnung.»
«Ich komme mir so dumm vor»
Der «vorübergehend» arbeitslose Mann verspricht, ihr das Geld schon zurückzuzahlen, sobald sich seine finanzielle Lage stabilisiert hat. Die Bank scheint jedoch nicht bereit zu sein, ihm seine Bankkarte zu schicken. Nun braucht Fabien aber ein Velo – und zwar sofort, da ein wichtiges Fahrradrennen bevorsteht. «Ich habe den Betrag von 5200 Franken für den Kauf eines Elektrovelos vorgestreckt und auch seine Miete bezahlt. Er hatte Angst, dass er rausgeschmissen wird.»
Melissa beginnt zu weinen. «Ich komme mir so dumm vor, wenn ich diese Geschichte erzähle. Ich fühle mich, als wäre ich die Protagonistin in einer schlechten Netflix-Serie gewesen. Ich war nicht mehr ich selbst. Er hat ein Talent dafür, Empathie zu wecken, während er gleichzeitig kleine abwertende Bemerkungen fallenlässt, die mich an mir selbst zweifeln liessen. Also habe ich nach und nach geschwiegen.»
Eines Tages erhielt Melissa einen Anruf von einer Freundin, die ihrerseits von einer gewissen Vanessa Ramires alarmiert worden war. «Sie erklärte mir, dass gegen Fabien zwei Anzeigen wegen häuslicher Gewalt eingereicht worden waren. Und dass er bereits wegen Liebesbetrugs verurteilt worden war. Ich brach den Kontakt zu ihm ab und rief Vanessa an.»
Sein Jagdgebiet? Datingapps
Melissa findet heraus, dass fast alles, was Fabien ihr erzählt hat, falsch ist. Und dass sich eine Whatsapp-Gruppe gebildet hat, die wie eine Menschenkette aus betrogenen Ex-Partnerinnen besteht. Es gibt etwa ein Dutzend Frauen, die Opfer der Lügen, Betrügereien, verbalen und körperlichen Gewalt des Betrügers geworden sind. Seine Opfer – vorzugsweise alleinstehende oder frisch getrennte Mütter – sucht er sich über Datingapps.
Da ist Elsa*, eine damals knapp 20-jährige Neuenburgerin, die geschlagen und beleidigt wurde und von der der Lügner 500 Franken ergaunerte – zurückgegeben hat er sie erst, weil ein Verwandter der jungen Frau ihm drohte.
Dann die Waadtländerin Laurence*, ein Tindermatch, von der er 4000 Franken erpresste. «Er hat mich verlassen, sobald er hatte, was er wollte. Meine Mutter hatte mich noch gewarnt, sie sah, dass er mich in der Öffentlichkeit runtermachte, aber ich habe nicht auf sie gehört.» Das tat auch Nora*. Die 30-jährige Köchin aus Biel wurde in nur einem Monat um 23'000 Franken geprellt, weil sie sich von Fabiens angeblichen finanziellen Schwierigkeiten erweichen liess. Beide zogen gegen ihn vor Gericht.
Von Jeanne*, einer Neuenburgerin, die zum Zeitpunkt der Tat 29 Jahre alt war, konnte er über 30'000 Franken erpressen. «Fabien ist zu einem Zeitpunkt in mein Leben getreten, als ich extrem verletzlich war. Ich hatte mich gerade von meinem Mann getrennt. Er wusste genau, was er mir sagen musste, um mich um den Finger zu wickeln, indem er mir eine stabile Beziehung und gemeinsame Zukunftspläne vorgaukelte.» Sie war die Einzige, der es gelang, ihn wegen Betrugs verurteilen zu lassen.
Alleinerziehende Mütter im Visier
Und dann war da noch Marine*, Pflegeassistentin aus Neuenburg. Der Serienmanipulator kontaktierte sie nicht über eine Datingapp, sondern über eine Kleinanzeige. «Ich war auf der Suche nach einem Babysitter. Ich machte gerade eine schwierige Zeit durch, ich hatte mich nach zehn Jahren Beziehung vom Vater meiner Kinder getrennt. Er hatte Schwierigkeiten, seinen Sohn zu sehen, da seine Ex-Partnerin ihm Besuche unter Aufsicht auferlegt hatte. Ich war von seiner Geschichte berührt.»
Aus der Verabredung wurde schnell ein Date, dann eine Liebesbeziehung. «Alles ging sehr schnell. Er sagte mir, dass er noch nie eine Frau wie mich getroffen habe. Er bombardierte mich mit Liebesbotschaften. Nach ein paar Wochen hat er sich bei mir einquartiert.» Er überredet sie, ihm 10'000 Franken zu leihen, was sie zögernd tut. «Ich war erschöpft von meiner Arbeit und den ständigen Streitereien, die er verursachte. Ich habe nachgegeben. Ich hatte Angst vor seinen Wutausbrüchen.»
Fast zwei Jahre nach ihrer Trennung erhält auch Marine einen Anruf von Vanessa Ramires. «Mir wurde klar, dass ich wie andere vor mir Opfer dieses Lügners geworden war, der das Betrügen zu seiner Lebensweise gemacht hatte. Das hat mir geholfen, mich weniger zu schämen und die Schuldgefühle loszuwerden. Vanessa und die anderen Frauen wissen, was man durchmachen kann, wenn man unter Fabiens Einfluss steht.»
Als die Falle für Vanessa zuschnappt
In Freiburg treffen wir die sanfte und zurückhaltende Vanessa Ramires, die offensichtlich noch immer von einer einjährigen Beziehung mit dem Mann erschüttert ist, den sie «Monsieur» nennt, da sie nicht in der Lage ist, seinen Vornamen auszusprechen. Die 33-jährige Schneiderin erklärte sich bereit, auf den erlebten Alptraum zurückzukommen.
Wie so oft bei Fabien beginnt die Geschichte in den sozialen Netzwerken. «Ich hatte sein Profil als ‹Papa solo› auf TikTok bemerkt. Da ich selbst alleinerziehende Mutter bin, konnte ich mich mit seinen Aussagen identifizieren», sagt sie.
Es war ein Spiel: Er war charmant, fürsorglich, überhäufte sie mit Liebesbotschaften, gab Details aus seinem Privatleben preis und sprach über seine turbulente Beziehung zu seiner gewalttätigen Ex-Freundin, die ihm angeblich den Kontakt zu seinem Sohn verweigerte. «Er hatte sich über mein Leben erkundigt, und ich fühlte mich geschmeichelt, dass man mir so viel Aufmerksamkeit schenkte. Er gestand mir, dass er noch nie einen Menschen wie mich getroffen habe, der so sanft und verständnisvoll sei. Schon beim zweiten Date hat Fabien mir gesagt, dass er mich liebt.»
Drei Monate nach Beginn der Beziehung zog Fabien zu Vanessa und ihrem Sohn. «Er entschied, dass es angesichts der Tatsache, dass er seine ganze Zeit bei mir verbrachte, lächerlich sei, doppelt so viel Miete zu zahlen. Ich habe es akzeptiert. Auch wenn es mir zu schnell ging, war ich verliebt.» Nur dass Fabien, dem es nicht gelingt, länger als zwei Monate am Stück einen Job zu behalten, sich nicht an den Kosten beteiligt. Das Paar lebt von Vanessas kleinem Gehalt. Mit 3200 Franken im Monat sind die Monatsenden schwierig. Die Freiburgerin beschliesst, sich von einer Verwandten 15'000 Franken zu leihen.
Gewalt, Verunglimpfungen und Erniedrigungen
Auf Liebeserklärungen folgen verbale Gewalt, Verunglimpfungen und Erniedrigungen. «An einem Tag hat er mich auf ein Podest gestellt, am nächsten Tag war ich ‹nur ein Stück Scheisse›, das alles falsch gemacht hat. Ich hätte nichts im Kopf, wüsste nicht, wie ich meinen Sohn erziehen sollte, und die Beziehung zu meiner Familie wäre toxisch. Diese Streitereien – auch wenn ich den Begriff ablehne, weil ich mich nicht daran beteiligte – konnten stundenlang bis zur Erschöpfung dauern», berichtet die junge Frau.
Vanessa entschuldigt sich für ihre Tränen, während sie erzählt. «Wenn ich weinte, packte er mich im Nacken und zwang mich, in den Badezimmerspiegel zu schauen, dabei sagte er mir, wie hässlich und lächerlich ich sei.»
Sie isolierte sich, traf sich nicht mehr mit ihren Freunden und brach den Kontakt zu ihrer Familie ab. «Ich musste mein Handy ständig im Blick haben. Wenn ich nicht sofort auf seine Nachrichten reagierte, wusste ich, dass er mir das Leben zur Hölle machen würde, sobald ich wieder zu Hause war. Schliesslich gab ich es auf, auszugehen, mich zurechtzumachen und mich zu schminken.»
«Mein Sohn biss ihm in den Finger»
Es war ein Ereignis – das sie bis heute nur schwer beschreiben kann –, das ihr die Kraft gab zu gehen. «Er hat versucht, meinen Sohn zu zwingen, etwas zu essen, was er nicht wollte. Er hat ihm die Gabel in den Mund gestossen. Mein Sohn biss ihm in den Finger. Er hat ihn mit solcher Kraft geohrfeigt, dass ich dachte, der Kopf meines Kleinen würde sich verrenken.»
Sie flüchtet zu ihrer Schwester. Ihr Sohn wird in die Notaufnahme gebracht, wo man Verletzungen im Gesicht des Kleinkindes feststellt. Dort gesteht Vanessa schliesslich die bis dahin verschwiegenen Demütigungen und Gewalttätigkeiten. «Ich habe mich so geschämt, dass ich meinen Sohn nicht schützen konnte», gesteht sie.
Am nächsten Tag ruft sie Fabiens ehemalige Lebensgefährtin Laura Cirone an, mit der er einen Sohn hat. Sie offenbart ihr, dass sie Anzeige wegen häuslicher Gewalt erstattet hat. «Ich wurde geschlagen, vor, während und nach meiner Schwangerschaft», erzählt die 35-jährige Köchin in einem Café im Berner Jura. «Er trieb mich zur Weissglut, sagte mir, dass ich eine schlechte Mutter sei, sodass ich eines Tages mit dem Auto in eine psychiatrische Klinik fuhr. Meine Mutter hat es geschafft, mich wieder zurückzuholen.»
Kämpfen, um ihn zu stoppen
Von Laura hat Fabien nie Geld verlangt. «Er lebte von Jeanne. Sie hatte zwar versucht, mich zu warnen, aber ich war im fünften Monat schwanger, bereits Mutter einer kleinen Tochter und hatte Angst, das zweite Kind allein grossziehen zu müssen, also habe ich die Augen verschlossen», bedauert die Bernerin. Von den Unterhaltszahlungen, die er ihr angeblich schuldete, wie er seinen verschiedenen Partnerinnen gegenüber angab, hat sie nie auch nur einen Cent erhalten.
In Erwartung des Gerichtsverfahrens gegen Fabien, für den die Unschuldsvermutung gilt, kämpfen Laura Cirone und Vanessa Ramires darum, Fabiens Machenschaften zu beenden, der weiterhin in Datingapps sein Unwesen treibt. Sie kämpfen für Marine und Melissa, deren Betrugsvorwürfe von der Staatsanwaltschaft abgewiesen wurden. Sie kämpfen für Nora und Laurence, die die Strafverfolgung von Kanton zu Kanton weiterleiten müssen, da Fabien immer wieder den Wohnsitz wechselt.
Und Laura Cirone kämpft für ihren Sohn. «Ich will nicht, dass er mit dieser gewalttätigen, manipulativen und perversen Vaterfigur aufwächst.» In der Zwischenzeit läuft Fabien immer noch frei herum. Eine Anfrage von Blick blieb unbeantwortet.
* Namen geändert