Wer folgt auf Petra Gössi?
Der Richtungsstreit in der FDP verschärft sich

Die Findungskommission der Partei führt erste Gespräche mit möglichen Kandidaten. Doch in der Partei brodelt die Auseinandersetzung um den Kurs des Freisinns. Der Ton in der FDP wird schärfer.
Publiziert: 11.07.2021 um 10:57 Uhr
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Nationalrätin Jacqueline de Quattro brachte eine Doppelspitze ins Spiel.
Foto: Keystone
Simon Marti

Nichts soll nach aussen dringen, wenn die FDP über die Nachfolge ihrer abtretenden Präsidentin Petra Gössi (45, SZ) brütet. Die Findungskommission unter Leitung der Baselbieter Kantonalpräsidentin Saskia Schenker (41) hat zwar ihre Arbeit aufgenommen. Noch bis Mitte August haben Kandidaten Zeit, ihr Interesse anzumelden. Mehr lässt die Partei nicht verlauten.

Umso emsiger geht es hinter den Kulissen zu: Die Findungskommission hat bereits potenzielle Präsidentinnen und Präsidenten ausgemacht und kontaktiert. Erste Gespräche finden in diesen Tagen statt. Etliche Personalien geistern durch die freisinnigen Reihen und die Möglichkeit eines Co-Präsidiums macht das Taktieren nicht eben übersichtlicher.

Frage der Strategie

Ein Name fällt besonders häufig: Jener von Jacqueline de Quattro (61), Nationalrätin aus dem Waadtland, wo sie 13 Jahre in der Regierung sass. «Mit einer Diskussion über das Personal ist es nicht getan», erklärt sie auf die Frage nach ihren Ambitionen. «Es ist an der Zeit, über die Strategie der FDP nachzudenken.» Es gibt FDPler, die sich dramatischer ausdrücken. Da ist nicht mehr von der Sehnsucht nach einem Troubleshooter die Rede, sondern von der letzten Patrone.

Tatsächlich hat der Freisinn in der laufenden Legislatur in den Kantonen flächendeckend an Boden verloren. Das gescheiterte Rahmenabkommen und die spektakuläre Niederlage beim CO2-Gesetz haben die Gräben innerhalb der Partei weiter vertieft. Seit dem historisch schwachen Abschneiden bei den eidgenössischen Wahlen vor zwei Jahren wackelt der zweite Bundesratssitz.

Gespaltene FDP?

Da wirft Gössis Rücktritt zwangsläufig die Frage auf, ob die FDP vor den nächsten Wahlen einen neuerlichen inhaltlichen Wandel vollzieht. Die Anzeichen mehren sich, dass dies zumindest versucht wird. «Unser konservativer Flügel ist in der letzten Zeit zu kurz gekommen. Das haben unsere Wähler bei der Abstimmung über das CO2-Gesetz deutlich gemacht», sagt Jacqueline de Quattro. Andererseits könne die FDP Themen wie den Klimawandel oder die Gleichberechtigung nicht einfach ignorieren. «In dieser Lage liberale Lösungen zu finden und den Druck der Konkurrenz auszuhalten, die der FDP einen Bundesratssitz streitig macht, ist die grosse Herausforderung.» Deshalb habe sie ein Co-Präsidium ins Spiel gebracht. Ein solches könnte die verschiedenen Strömungen besser abbilden. «Ob ich Teil dieses Duos sein werde, wird sich zeigen. Wenn eine einzelne Person diese Aufgabe schultern will, wird sie meine volle Unterstützung haben», sagt de Quattro.

Zwei Jahre bleiben der-, dem- oder denjenigen, die Krise zu meistern. Ein Vertreter des «zu kurz gekommenen Flügels», der die Leitung der Partei im Duo zumindest «ernsthaft prüft», ist der St. Galler Marcel Dobler (40). Er war unter den schärfsten Kritikern des Öko-Kurses von Parteichefin Gössi. Heute sagt er einzig: «Kein Präsident drückt der Partei einfach seine Linie auf. Wir brauchen eine Führungspersönlichkeit, welche die Reihen schliessen und die FDP einigen kann.» Das würde wohl jeder in der FDP unterschreiben. Allerdings sind viele der nun genannten Wunschkandidaten wie die Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (54, SG) oder die Ständeräte Thierry Burkart (45, AG) und Damian Müller (36, LU) so klar positioniert, dass sie automatisch den Widerstand des jeweils anderen Lagers provozieren.

Uhr kann nicht zurückgedreht werden

Deutlicher als Tobler wird Nationalrat Christian Wasserfallen (40). Der Berner gab im Zuge des Klimaschwenks der Partei sein Amt als Vizepräsident auf. «Die FDP ist eine bürgerliche Partei, steht rechts der Mitte mit liberaler Ausrichtung.» Man sei nicht Teil «einer schwammigen politischen Mitte», die möglichst jede Abstimmung gewinnen wolle. Wasserfallen ist zuversichtlich, dass die Findungskommission diese grundsätzlichen strategischen Anforderungen an das künftige Präsidium in ihre Hearings einfliessen lasse.

Aber auch ein neues Präsidium wird kaum einfach die Uhr zurückdrehen. Der Zürcher Nationalrat Hans-Peter Portmann (58) macht deutlich: «Nur solche Persönlichkeiten, die sich in der Vergangenheit nicht öffentlich gegen Mehrheitsentscheide der FDP-Organe gestellt haben, werden genügend Respekt von unseren Exponenten erhalten, und können aus meiner Sicht die Partei in die Zukunft führen.»

Suche nach dem Kurs des Freisinns

Das gelte auch für die Mitglieder der Bundeshausfraktion, die Aushängeschilder der Partei. «Ganz ehrlich, wenn jemand ständig demokratische Beschlüsse von FDP-Gremien hintertreibt, sollte sich diese Person überlegen, ob es nicht angebrachter wäre, eine neue politische Heimat zu suchen, als dauernden Flurschaden anzurichten.» Eine Kampfansage an jene Parteikollegen, die gegen das Rahmenabkommen und das CO2-Gesetz aufgestanden sind.

Wer auch immer am Ende die Parteiführung übernehme, die FDP werde nur dann Erfolg haben, so Portmann, «wenn konsequent nicht vom liberalen Weg der Freiheit, gekoppelt mit der Verantwortung an Gesellschaft und Umwelt, abgewichen» werde. «Dass hier Einzelmasken gerade in der Europa- und in der Umweltpolitik versuchten, ein anderes FDP-Bild nach aussen zu tragen, hat uns in der Vergangenheit geschadet.»

Die Suche nach einer neuen Parteiführung ist für die FDP schwer genug. Die Suche nach dem künftigen Kurs des Freisinns wird noch um einiges schmerzhafter.

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