Trotz Jubel-Stimmung
Darum ist die Corona-Krise noch nicht zu Ende

Gerade herrscht Jubelstimmung in Europa. Massnahmen werden gelockert oder fallen gleich ganz weg. Aber ist das wirklich das Ende der Corona-Krise? Schweizer Experten dämpfen die Freude.
Publiziert: 10.02.2022 um 20:10 Uhr
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Aktualisiert: 10.02.2022 um 21:36 Uhr
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Noch ist die Maske im ÖV Pflicht. Doch schon bald könnte der Bundesrat weitere Massnahmen lockern.
Foto: KEYSTONE
Johannes Hillig und Sven Ziegler

Schweden, Dänemark und Grossbritannien haben es bereits getan: Sie verzichten komplett auf die Corona-Massnahmen. Kein Homeoffice, keine Testpflicht, keine Masken mehr.

In Europa herrscht Aufbruchstimmung. Auch in der Schweiz. Der Bundesrat will lockern – und wie. Homeoffice-Pflicht und Quarantäne sind bereits passé. Die restlichen Einschränkungen könnten schon ab dem 17. Februar aufgehoben werden.

Kein Wunder: Inzwischen sind viele geimpft, geboostert oder genesen. Gerade Omikron lässt die Infektionen in die Höhe schnellen und damit auch die Immunität in der Bevölkerung.

«Corona können wir nicht eliminieren»

Marcel Tanner hält nichts davon, die Massnahmen komplett aufzuheben. «Gerade da wo viele Menschen zusammenkommen, müssen wir darauf achten, dass wir Übertragungsrisiken reduzieren», erklärt der Basler Epidemiologe und langjähriger Leiter des Schweizer Tropeninstituts.

Aus diesem Grund sollte die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und öffentlichen Gebäuden unbedingt bleiben. Auch Abstand halten, sollte weiter die Devise sein. Eins muss uns aber auch klar werden, betont Tanner: «Corona können wir nicht eliminieren. Es ist da und wird auch nicht mehr verschwinden. Da helfen auch keine Massnahmen mehr.» Es ginge jetzt nur noch darum zu lernen, mit dem Virus zu leben.

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«Wir müssen aber vorsichtig bleiben»

Auch Thomas Steffen, ehemaliger Kantonsarzt von Basel-Stadt, rät dazu, sich nicht zu früh zu freuen. «Die aktuelle Pandemie hat einem gelernt, dass man besser nicht zu früh jubelt.» Dass mit Omikron eine milde Variante dominant ist, sei ein Glücksfall. Dadurch könnten einige Massnahmen gelockert werden. Ein Fortschritt. «Wir müssen aber vorsichtig bleiben. Die Pandemie hat in den letzten zwei Jahren verschiedene Male unerwartete Wendungen genommen.»

Der gleichen Meinung ist Didier Trono, Epidemiologe und Mitglied der Corona-Taskforce. «Wir sind auf einem sehr guten Weg, es sieht sehr gut aus. Aber wir sollten nichts überstürzen und dürfen nicht unvernünftig werden», sagt Trono zu Blick.

«Ich gehe davon aus, dass es sehr viele Jahre dauern wird»

Die derzeitige Situation lasse sich mit einem Flugzeug vergleichen. Trono: «Wir sind im Landeanflug. Jetzt dürfen wir den Steuerknüppel nicht zu weit nach vorne drücken, ansonsten stürzen wir ab. Mit ein wenig Geduld setzen wir sauber auf der Landebahn auf und rollen ins Ziel.» Das bedeutet: Alle Massnahmen aufheben, wie etwa in Grossbritannien, sei noch zu früh. Besonders die Maske müsse noch dort getragen werden, wie viele Menschen zusammenkommt. Und natürlich Abstand einhalten.

Denn in einer Endemie seien wir noch nicht. Noch lange nicht. Das bedeutet, dass Corona nur noch stellenweise auftritt. In etwa wie eine Grippe. Dafür brauche es aber eine hohe Immunität auf der ganzen Welt. «Ich gehe davon aus, dass es sehr viele Jahre dauern wird, bis wir zu diesem Punkt kommen», so der Epidemiologe.

Virus könnte sich ins Tierreich zurückziehen

Und genau deswegen sei es wichtig, erst Schritt für Schritt zu lockern. «Damit können wir sehen, wie sich das Virus entwickelt.» Und dann rechtzeitig reagieren, sollte sich die Situation ändern. Denn gebannt sei die Corona-Gefahr noch nicht.

«Sorge macht mir, dass sich das Virus zum Beispiel ins Tierreich zurückziehen könnte. Dort könnte es so stark mutieren, dass sich unser Immunsystem nicht mehr an das Virus erinnern kann.» Wenn das passiere, könne uns das Virus wieder mit voller Wucht erwischen. Alles wieder auf Anfang. «Dann wären wir wieder auf Feld Eins. So etwas erachte ich als durchaus realistisch, wir haben das in der Vergangenheit bereits beobachtet.»

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