Tinder-Schwindler Fabien vor Gericht – es könnte schlechter für ihn aussehen
«In der Schweiz haben es Liebesbetrüger einfacher als im nahen Ausland»

Fabien (31) spielt Frauen Liebe vor und zockt sie dann schamlos ab. In der Schweiz hat er es als Liebes-Gauner einfacher, als in unseren Nachbarländern. Hier gilt eine höhere Opfermitverantwortung.
Publiziert: 20.01.2025 um 20:09 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2025 um 20:20 Uhr
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Tinder-Schwindler Fabien hätte sich am Montag vor Gericht verantworten müssen. Doch er tauchte nicht auf.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Tinder-Schwindler schwänzt Prozess in Moutier. Frauen sind enttäuscht
  • Angeklagter suchte gezielt verletzliche Frauen aus und wurde gewalttätig
  • Zehntausende Franken von mehreren Frauen erschlichen, auch Kinder misshandelt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Beat MichelReporter

Vor dem Regionalgericht Berner Jura-Seeland in Moutier BE diskutieren drei junge Frauen und gestikulieren. Sie sind drei von gut einem Dutzend Opfer von Fabien*, des als Tinder-Schwindler bekannten Mannes aus der Westschweiz. Am Montag hätte sein Prozess stattfinden sollen, doch den schwänzte er unentschuldigt. «Wir haben sechs Monate auf den Termin gewartet und jetzt kommt er nicht. Er kann einfach weitermachen», sagt Laura Cirone (35), eine der Privatklägerinnen im Prozess. «Er muss gestoppt werden, wir halten bis zum Ende durch», sagt Vanessa Ramires (33) zu Blick, auch sie ein Opfer. Doch vorerst müssen sich die Frauen gedulden – weil der Angeklagte nicht erschien, ist der Prozess bis auf Weiteres vertagt.

Die Vorwürfe wiegen schwer: Über Dating-Apps und Social Media sucht Fabien sich Frauen, die in einer schwierigen Lebensphase sind, verführt sie und erleichtert sie mit erfundenen Geschichten um ihr Geld. Bei mindestens zweien soll er auch gewalttätig geworden sein. Wie die Frauen Blick erzählt haben, verspricht Fabien unter dem Pseudonym «Papa solo» die grosse Liebe. Sein Lockmittel: nichts weniger als ein gemeinsames Leben!

Der Casanova entpuppt sich dann aber schnell als Enttäuschung. Er lebt auf Kosten der Frauen und erschleicht sich mit erfundenen Geschichten Geld, so die Vorwürfe. Im Laufe der Jahre soll er auf diese Art Zehntausende von Franken ergaunert haben.

Liebeslügen nicht in Anklage

Erstaunlich: Die Masche als Liebes-Schwindler kommt in der Anklage aber gar nicht vor. Dafür Drohung, Nötigung, Tätlichkeit und Körperverletzung. Für diese hätte sich Fabien am Montag verantworten müssen, wenn er denn aufgetaucht wäre. 

Hinzu kommen noch andere Vorwürfe wegen unrechtmässigen Bezugs von Sozialleistungen, Veruntreuung, aber auch wegen Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz. Aber die Liebesschwindeleien fehlen.

Opferhölle Schweiz

«In der Schweiz haben es Liebesbetrüger einfacher, straffrei wegzukommen, als im nahen Ausland», sagt dazu Strafrechtsanwalt André Kuhn. «Hierzulande muss eine Täuschung arglistig erfolgen, sonst handelt es sich nicht um einen Betrug. Wenn eine Zahlung aufgrund einer normalen Täuschung erfolgt, ist der Tatbestand des Betrugs nicht erfüllt.»

Und wann ist eine Täuschung arglistig? Kuhn erklärt: «Wenn entweder eine Urkundenfälschung vorliegt, ein verschachteltes Lügengebäude aufgebaut wurde oder wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis vorliegt. In der Schweiz gilt eine höhere Opfermitverantwortung als in anderen Ländern.» Beim Tinder-Schwindler liegt deshalb der Verdacht nahe, dass der Staatsanwalt befürchtet haben könnte, dass die Liebesschwindeleien nicht als Vermögensdelikt durchgehen. Doch das ist Spekulation. 

Mit Spannung darf deshalb die Erklärung des Staatsanwalts erwartet werden, wenn der Prozess dann stattfindet. Die angekreideten Straftaten gegen die Frauen in der Anklage haben es aber bereits auch so in sich, wie aus der Anklageschrift hervorgeht. Fabien schreckte demnach auch vor Gewalt nicht zurück, auch nicht gegen Kinder.

Gewalt gegen 4-Jährigen

So soll er laut Anklage das Kind der Privatklägerin Vanessa Ramires, damals vier Jahre alt, gezwungen haben, Hackfleisch zu essen. Nachdem der Bub das Essen aus Ekel wieder ausgespuckt hatte, stopfte Fabien es ihm es erneut in den Mund, um ihn mit Druck zum Schlucken zu zwingen. Als das Kind seinen Peiniger biss, verpasste Fabien ihm eine harte Ohrfeige.

Wann der Prozess gegen den Tinder-Schwindler wieder aufgenommen wird, ist noch unklar. Zuerst müsse für Fabien ein neuer Anwalt gefunden werden, sagte die Gerichtspräsidentin. Das nächste Mal wird es ihm aber nicht helfen, einfach nicht aufzutauchen. Denn dann wird er auch in Abwesenheit verurteilt werden.

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