Die Bestie ist ein guter Typ. Eine freundliche Person. Fussballjuniorentrainer. Hundefreund. Der nette Nachbar um die Ecke.
Thomas N.* (33) ist ein Mensch, in dem sich ein Abgrund auftut. Der das Glück einer Familie in einer Orgie von Gewalt zerstörte.
Gestern Morgen kam sie endlich, die Nachricht, auf die eine Region, ein Land seit Monaten gewartet hatte: Im Rätselmord von Rupperswil gebe es Fahndungserfolge! Es soll sogar Verhaftungen gegeben haben.
Es ist der Morgen, an dem Georges F.* (75), der Vater der ermordeten Carla Schauer († 48), im BLICK sein Schweigen gebrochen hat. Sein Wunsch ist: «Dass man über die DNA, die im Haus gefunden wurde, irgendwann an die Täter kommt. Dann finden wir vielleicht einen kleinen Seelenfrieden.»
Genau das ist in der Nacht zuvor geschehen: Die DNA aus dem Haus hat Thomas N. überführt. Und so bestätigt, was er den Ermittlern offenbar ohne grosses Zögern gestanden hat: Er ist der Mörder von Carla Schauer, ihren Söhnen Davin († 13) und Dion († 19) und dessen Freundin Simona Fäs († 21).
Gestern um 15 Uhr treten Polizei und Staatsanwaltschaft vor die Presse. 146 Tage nach der Tat vom 21. Dezember 2015, wie Philipp Umbricht, Aargaus leitender Oberstaatsanwalt, feststellt. Was Staatsanwältin Barbara Loppacher und Kripo-Chef Markus Gisin danach vortragen, klingt, als wären Figuren eines Horrorfilms aus ihrem Drehbuch getreten. Als wäre ein beschauliches Schweizer Dorf plötzlich in einem Hollywood-Albtraum gelandet.
Alle wussten, dass es schrecklich genug war, was Feuerwehrmänner und Polizisten damals im Dezember im Haus der Schauers vorgefunden hatten: vier verbrannte Leichen, gefesselt, mit Messerwunden, wie es immer hiess. Aber an diesem Freitagnachmittag wird klar, wie genau Thomas N. das Leben dieser vier Menschen beendete.
Wie fand die Polizei diesen Mann? Wie kam sie auf Thomas N.? Noch will sie das für sich behalten, macht Staatsanwältin Loppacher klar. Aber offenbar ist der Fahndungserfolg das Ergebnis von monatelanger Puzzlearbeit, nicht von Hinweisen aus der Bevölkerung. Die einst ausgesetzte Belohnung von 100 000 Franken wird nicht ausbezahlt.
Die Nachrichten von gestern kündigten sich schon am Mittwoch und Donnerstag an, als in Aarau bei der Alten Kantonsschule und beim Bahnhof schwer bewaffnete Polizisten aufmarschierten. Ein Mitarbeiter des Gymnasiums beobachtete, wie ein Mann angehalten wurde, konnte gegenüber BLICK aber nicht bestätigen, ob der auch verhaftet wurde. Einmal seien zwei Zivilfahnder in die Kanti gestürmt, danach aber wieder allein zurückgekommen.
Man wisse von nichts, sagte das Rektorat auf Anfrage.
Am Donnerstagabend erwischte die Polizei offenbar, wen sie suchte: Thomas N. «Verhaftet in der Region Aarau», sagte Staatsanwältin Loppacher nur.
Sicher ist, dass der Bruder von N. mit Frau und drei Kindern in Aarau wohnt. Er will nichts zum Fall und seinem Bruder erzählen, wie BLICK von ihm erfuhr. Eine weitere Verhaftung gab es im Haus, wo Thomas N. mit seiner Mutter wohnte. Am Donnerstag holte die Polizei die grauhaarige Dame ab, in Handschellen. Sie habe laut «Hilfe, Hilfe!» geschrien, berichtete ein Nachbar.
Das ist also das Häuschen, in dem der Mörder wohnte. «Sehr zurückgezogen, sprach nicht viel mit den Leuten», sagt eine Nachbarin. «Er hatte Freude an seinen zwei Huskys: Mit den Hunden war er oft draussen.» Der Vater, angeblich ein ehemaliger Kantonsbeamter, sei vor einigen Jahren gestorben. Seine beiden Söhne seien schon immer etwas introvertiert gewesen. Was Thomas N. studiere, wisse sie nicht.
Dafür ist klar, was er in seiner Freizeit machte: Als Coach der Seetal Selection fördert N. talentierte Junioren der Vereine SC Seengen und FC Sarmenstorf, tingelte mit den Buben von Turnier zu Turnier. Immerhin sagte er dort einmal, was er studiere: Medizin.
Beim Verein ist man geschockt. Er sei ein engagierter, wenn auch verschlossener Trainer gewesen. «Wir wunderten uns schon, dass er immer noch studierte», erfährt BLICK von einem Kollegen. «Aber fachlich und menschlich füllte er seinen Job hier gut aus.»
Thomas N., der nette Trainer, der freundlich grüssende Nachbar. Thomas N., der Mann mit dem schrecklichen anderen Hobby. Denn die Polizei ist überzeugt, dass der Vierfachmord vom 21. Dezember erst der Anfang einer brutalen Serie gewesen wäre.
Als sie das Haus des Täters durchsucht, findet sie nämlich einen Rucksack. Fertig gepackt mit Klebeband, schon geknoteten Seilen, Kabelbindern und einer alten Armeepistole. Zum Knebeln, Fesseln, Drohen. Die Ausrüstung für die nächsten Morde. «Er war bereit, erneut zuzuschlagen», sagte Staatsanwältin Loppacher.
Das hat die Polizei jetzt verhindert. Eine Sonderkommission von 40 Beamten hat in fünf Monaten Arbeit einen Fall aufgeklärt, bei dem es keinen der üblichen Hinweise gab: Thomas N. hatte keine Verbindung zu seinen Opfern. Er suchte sich den jungen Davin aus, weil er ihm gefiel. Und Carla Schauer, weil sie Geld hatte. Ein Verbrechen aus Lust. Aus Gier. Dabei hatte Thomas N. nicht einmal Geldsorgen.
Nein, diese Tat war nichts Persönliches. Sie war nur böse.
* Namen der Redaktion bekannt