Ein Mann liegt auf dem Boden. Drei Polizisten versuchen, ihm Handschellen anzulegen. Dann kommt eine Beamtin dazu. Denn der Mann wehrt sich mit aller Kraft gegen seine Festnahme. Die Situation droht zu eskalieren. Es fliegen Fäuste. Ein Polizist rammt dem Mann sein Knie in den Rücken, ein anderer drückt ihn mit seinem ganzen Körpergewicht zu Boden. Zwei weitere Polizisten versuchen währenddessen, die Schaulustigen fernzuhalten.
Ein Passant filmt die Szene am Montagabend in Lugano. «Was zum Teufel macht ihr da?», ruft er den Polizisten. «Lasst ihn in Ruhe!», schreit ein anderer im Hintergrund. Die Polizisten werden aufs Übelste beleidigt. «H***sohn» und «Sch**lutscher» sind zu hören. Einer der Beamten bittet den Filmenden, zurückzutreten. «Das interessiert mich nicht», entgegnet dieser bloss.
Internet-User kritisieren Polizisten
Das Video verbreitet sich anschliessend in Windeseile im Internet. Die Verhaftung sorgt bei vielen für Kritik. «Zu viert gehen sie auf eine Person los, die höchstwahrscheinlich nichts Schlimmes getan hat», schreibt einer. Eine Frau hält die Aktion für «übertrieben». «Wenn er mein Sohn wäre, würde ich sie anzeigen! Es bestand auch die Gefahr, den Jungen zu ersticken und er war nicht mal bewaffnet!», schreibt die Userin auf Instagram. Sie sei eine, die die Polizisten respektiere, aber dies sei «wirklich zu viel».
Andere wiederum nehmen die Polizisten in den Schutz. «Ohne Grund hätte das kein Polizist gemacht. Wir wissen doch gar nicht, was der Typ genau getan hat!», steht in einem Kommentar.
«Ein Spiel mit ungleichen Waffen»
Auch Roberto Torrente, Kommandant der Stadtpolizei von Lugano, verteidigt seine Kollegen und kritisiert das Verhalten im Netz. «Es ist, als ob wir ein Spiel mit ungleichen Waffen spielen würden», sagt er zu «Tio.ch». Das Video zeige «nur einen kleinen Teil der Realität». Denn weder sei zu sehen, was vorher und was danach passiert sei.
Den Beamten wurde gegen 23 Uhr eine Versammlung von Jugendlichen, die Lärm verursachten und die Nachtruhe störten, gemeldet. Die ausgerückten Beamten trafen vor Ort auf ein Dutzend Personen, die laut Musik hörten und sich nicht an die geltenden Schutzmassnahmen hielten, zitiert «Corriere del Ticino» die Polizei.
Iraker zerreisst Jacke von Polizist
Bei der Intervention hätten die Teenies ein «feindseliges, arrogantes und provokatives Verhalten» an den Tag gelegt. Insbesondere ein irakischer Jugendlicher, der bereits polizeibekannt sei, habe sich auffällig aggressiv und unkooperativ verhalten.
Er habe zuvor einem Polizisten die Jacke zerrissen, woraufhin er in Handschellen gelegt wurde. «Der Mann leistete dann weiter Widerstand, weshalb die Beamten versuchen mussten, ihn zu bändigen», wird Torrente von «Corriere del Ticino» zitiert. Alle Anwesenden wurden im Anschluss wegen Verstosses gegen das Covid-Gesetz verzeigt.
Polizei fordert Einsatz von Bodycams
«Man muss sich fragen, ob all diese Leute, die beleidigende Kommentare gegen uns gepostet haben, nicht strafrechtlich verfolgt werden können», sagt Torrente. «Wir versuchen, unsere Pflicht zu erfüllen. Wir stehen in diesen Tagen unter grossem Druck. Es ist nicht so einfach, eine Person zu beruhigen, die nicht kooperieren will.»
Der Kommandant plädiert deshalb für den Einsatz von Bodycams. «Wenn Polizeibeamte Kameras tragen würden, wären sie besser geschützt und es wäre einfacher, Sachverhalte objektiv zu rekonstruieren.» (man)