Mehrere Tote und Vermisste, zahlreiche Menschen, die durch Schlamm und Geröll ihr Zuhause verloren sowie eine zerstörte Landschaft: Tagelang wüteten Ende Juni Unwetter im Tessin, im Wallis und im Misox. Besonders schlimm wurde das Maggiatal getroffen. 445 Menschen mussten aus den Unwettergebieten mit Helikoptern evakuiert werden. Die Armee steht weiterhin mit der Bereitschaftskatastrophenhilfe im Einsatz.
Nach den verheerenden Unwettern hat die Schweizer Armee mit der Erstellung einer belastbaren Notbrücke in Cevio TI als Ersatz für die eingestürzte Visletto-Brücke begonnen. Damit würden das obere und das untere Maggiatal wieder verbunden. Blick konnte sich am Donnerstag ein Bild von der Situation vor Ort machen.
Grossbaustelle in der Maggia
Gerade einmal zehn Tage sind seit der Unwetterkatastrophe im oberen Maggiatal vergangen. Jetzt gleicht der Fluss auf der Höhe der unterspülten Brücke einer Grossbaustelle. Riesige Volvo-A-30-Kipplaster schleppen Felsbrocken gross wie Findlinge durch das kleine Tessiner Dorf. Ein gutes Dutzend Schaufelbagger schichten die Felsen zu Schutzmauern und Befestigungen am Ufer und an Steilwänden zu der Dorfstrasse. Da wo vor wenigen Tagen noch ein wildes Durcheinander herrschte, sind bereits die Strukturen des künftigen Laufs der Maggia zu sehen. Alle arbeiten fieberhaft an einer Notbrücke, die schwere Lasten tragen kann. Dann kann endlich schweres Gerät ins Krisengebiet im oberen Maggiatal fahren und mit den Aufräumarbeiten beginnen.
Auf dem künstlich aufgeschütteten Ufer steht bereits ein 120 Tonnen schwerer Bohrer auf Raupen für seinen Einsatz bereit. «Die Maschine braucht es, um die Löcher für die Betonfundamente zu bohren», sagt Oberst Sébastien Neuhaus (46), Kommandant des Bereitschafts-Katastrophenhilfe-Bataillons. «Erst wenn die Betonblöcke bereit sind, können wir mit der Brücke beginnen.»
Brücke wiegt 190 Tonnen
Die Fundamente an den Ufern müssen enorme Belastungen aushalten. Die sogenannte Mabey-Brücke des Militärs ist 190 Tonnen schwer und wird von der einen Seite über den Fluss geschoben. Zu Beginn ist die Stahlkonstruktion noch doppelt so lang, wie sie schliesslich sein soll. Dadurch ist sie im Gleichgewicht, bis sie die 60 Meter Breite der Maggia überquert hat. Danach demontieren die Soldaten die überflüssigen 60 Meter. Die Breite der Brücke: 4,8 Meter.
«Durch die Grösse der Stahlbrücke war es schwierig, eine neue Position zu finden», sagt Neuhaus. «Wir brauchen auf der einen Seite ein freies Feld von 100 Metern Länge. Die Notbrücke darf den kommenden Bau der künftigen Brücke nicht behindern.» Eine weitere Schwierigkeit sei gewesen, dass die Baustelle am neuen Ort verkehrstechnisch komplett neu erschlossen werden musste.
Bahn frei für schweres Gerät
«Die Brücke hat viele Vorteile. Sie ist schnell aufgebaut und ist extrem belastbar», sagt Kommandant Neuhaus. «Sie ist zwar nur einspurig befahrbar, aber wir können sie ohne Stützpfeiler im Fluss mit 40-Tonnen schwerem Gerät überqueren.»
Durch diese Tragfähigkeit wird es erst möglich, in den bisher abgeschnittenen Unwettergebieten Val Bavona und Val Lavizzara Hilfe mit schweren Mitteln zugänglich zu machen.
Maggia muss kooperieren
Wie schnell die Durchdiener der Katastrophenhilfe mit der Brücke loslegen können, hängt vom Kooperationswillen der Maggia ab. «Das Wetter diktiert uns das Tempo. Wir haben wieder eine Unwetterwarnung Stufe vier für Freitag. Wenn die Maggia alles wegspült, wird alles länger dauern», sagt Divisionär Maurizio Dattrino (59), Kommandant der Territorialdivision drei. «Im Moment helfen wir an verschiedenen Orten mit den Aufräumarbeiten und den Vorbereitungen für die Notbrücke. Es sind 45 Armeeangehörige im Einsatz. Wenn die Brückenschultern bereit sind, haben wir die Notbrücke in einer Woche aufgebaut.»
Bis jetzt konnte nur die ehemalige Brücke der Maggiabahn als Notübergang genutzt werden. In letzter Zeit diente sie als Velobrücke. Nach dem Unwetter wurde so ausgebaut, dass jeweils ein Auto die Maggia überqueren kann.