Herr Jeanneret, wo waren Sie, als am Montag die Gewitterwolken über La Chaux-de-Fonds aufzogen?
Jean-Daniel Jeanneret: Ich war mit dem Auto unterwegs, etwas ausserhalb der Stadt. Nichts deutete auf ein derart schlimmes Unwetter hin. Ich hatte nicht einmal einen Regenmantel dabei.
Was geschah dann?
Plötzlich war der Sturm da. Er war heftig, aber nicht ganz so stark wie in La Chaux-de-Fonds selbst. Zu dieser Zeit konnte ich mir nicht vorstellen, wie schwer es meine Stadt getroffen hatte.
Wie ging es weiter?
Nach ein paar Minuten klingelte das Telefon. Die Anrufer berichteten aufgeregt, was passiert war. Statt zurück ins Büro fuhr ich direkt in die Einsatzzentrale. Je näher ich der Stadt kam, desto grösser wurden die Schäden. Es fühlte sich an, wie die Ankunft in der Hölle.
Was machte das mit Ihnen?
Mein Gehirn schaltete sofort in den Katastrophen-Modus. Mein Schwiegersohn nahm die Anrufe auf dem Rücksitz in Empfang. Bei unserer Ankunft in der Einsatzzentrale herrschte aber trotz der chaotischen Lage eine professionelle Atmosphäre. Alle Beteiligten arbeiteten hoch konzentriert. Das war entscheidend. Erst am Dienstagabend übermannten mich dann die Emotionen. Bei mir flossen die Tränen …
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Können Sie sich an etwas Vergleichbares erinnern?
Nein. Man muss sich das Ausmass der Zerstörung vor Augen halten: Mehr als zwei Drittel der Gebäude sind beschädigt. Abgedeckte Dächer, vierzig Verletzte, ein Mensch verlor sein Leben. Bis am Montag konnte ich mir Windgeschwindigkeiten von mehr als 200 Stundenkilometern in La Chaux-de-Fonds nicht vorstellen.
Wie gehen die Menschen in Ihrer Stadt mit dieser Katastrophe um?
Es herrscht grosse Solidarität. Wir erhalten grosse Unterstützung, auch aus der Region und anderen Kantonen. Vielen Dank dafür! Das hilft sehr. Aber es ist brutal. Schon jetzt ist klar: Dieses Ereignis wird bleibende Spuren hinterlassen – in der Stadtlandschaft, vor allem aber in den Köpfen all derer, die den Sturm miterlebt haben.
Was ist jetzt zu tun?
Vorsicht und Sicherheit stehen an erster Stelle. Wir müssen Gebäude sichern und dafür sorgen, dass es keine Unfälle gibt. Die Aufräumarbeiten dürften Wochen dauern, die Rückkehr zu einem normalen Rhythmus Monate. Und bis Parks und Wälder wieder in den Zustand vor dem Sturm versetzt sind, werden Jahrzehnte vergehen.
Könnte die Armee helfen?
Das prüfen wir zurzeit.
Was geschieht mit den Menschen, deren Häuser unbewohnbar geworden sind?
Wir mussten einzelne Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner umquartieren. Es sind aber nicht viele. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwierig, die genaue Zahl der Menschen zu schätzen, die langfristig ein neues Zuhause brauchen.
Der Klimawandel macht schwere Unwetter wie den Sturm in La Chaux-de-Fonds wahrscheinlicher. Macht Ihnen das Angst?
Ja und nein. Ich glaube, wir sind sehr resilient, sehr belastbar.
Die massiven Schäden zeigen aber, wie verheerend die Auswirkungen sein können. Macht die Politik genug? Macht Ihre Partei, die FDP, genug?
Dazu möchte ich nichts sagen.
Weshalb nicht?
Ich kümmere mich jetzt erst einmal um das Operative, nicht um die Politik.