Tagelang beherrschte sie Schlagzeilen und soziale Medien: eine Studie der Professorinnen Margit Osterloh (79) und Katja Rost (47) über Frauen und Karriere. Sie gehen darin der Frage nach, warum nur ein Viertel aller Professoren weiblich sind.
Gemäss den Ergebnissen der Studie möchten weder Frauen noch Männer Vollzeit arbeiten, wenn sie kleine Kinder haben. Und: Eine Mehrheit der Frauen unterstützt die Karrierepläne ihres Partners. Die «SonntagsZeitung» berichtete vor einer Woche über die Studie – und verkürzte ihre Resultate wie folgt: «Studentinnen wollen lieber einen erfolgreichen Mann als selber Karriere machen.»
Die Studie – ebenso wie die Berichterstattung – sorgten vielfach für Ärger: nicht nur in den Kommentarspalten, auch an der ETH selbst. Professorin Dagmar Iber (45), Präsidentin der Hochschulversammlung, einem Mitwirkungsorgan bestehend aus Professoren, Studentinnen und Mitarbeitenden der ETH Zürich, beschreibt die Reaktionen so:
«Die Berichterstattung über die Studie hat viele Studierende, Mitarbeitende und Professoren an der ETH verletzt», so Iber. «Die Studentinnen legen sich für ihr Studium ins Zeug – und müssen dann in Medienberichten lesen, dass Frauen am besten gar nicht mehr studieren sollten.»
Die Aussage sei schlicht falsch
Die Professorin für rechnergestützte Biologie stört sich aber auch an der Vorgehensweise der Co-Autorinnen Rost und Osterloh: Sie händigten ihre unveröffentlichte Studie Journalisten aus, ohne sie zugleich online zu veröffentlichen. «Das irritiert», sagt Iber.
Zwar konnte man die Studie auf Anfrage von den Autorinnen erhalten. Doch weil die Analyse zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht öffentlich war, habe es keine Gelegenheit gegeben, falschen Aussagen in den Medien entgegenzutreten. Ein Beispiel: «Es wird suggeriert, die Ambitionslosigkeit der Frauen sei wissenschaftlich abgestützt – ohne dass es möglich war, die Studie und ihre Interpretation methodisch und datenbasiert zu hinterfragen.»
Die Aussage, Frauen wollten keine Karriere machen, sei schlicht falsch. Die Studienautorinnen blendeten die Widerstände völlig aus, die Frauen davon abhalten, einer Karriere nachzugehen: so etwa die Schwierigkeit, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.
Katja Rost, eine der Verfasserinnen der Studie, widerspricht: «Wir sagen nicht, dass Frauen keine Karriere machen wollen.» Sie und ihre Co-Autorinnen kämen lediglich zum Schluss, dass Quoten das falsche Instrument seien, um die Karriere von Frauen in der Wissenschaft zu fördern. Stattdessen brauche es beispielsweise mehr Teilzeit-Karrierestellen – über solche und weitere Massnahmen werde die Leitung der Uni Zürich nächste Woche informieren.
Im Hinblick auf ihre Veröffentlichungsstrategie sagt Rost: «Wir hatten nicht damit gerechnet, dass der Artikel über die Studie einen derartigen Shitstorm zur Folge haben wird.» Mit der ETH sei abgemacht gewesen, die Studie zu einem späteren Zeitpunkt zu veröffentlichen. Angesichts des grossen öffentlichen Interesses habe sie die Studie aber auf Nachfrage verschickt, um sich kompromissbereit zu zeigen. Nach Freigabe durch die ETH sei das Papier inzwischen auch öffentlich zugänglich.