Ferienzeit ist auch Lesezeit. Wie findet man sich in der Fülle der Neuerscheinungen zurecht? Blick hat jene gefragt, die es ganz besonders gut wissen: die Autorinnen und Autoren, die die Bücher schreiben. Hier machen sie Werbung in eigener Sache. Nicht zwischen den Zeilen, sondern schamlos direkt. Einige haben sich anfangs geziert mitzumachen, weil das ungewöhnlich ist und eitel erscheinen könnte. Das ehrt sie. Zum Glück haben sie sich überzeugen lassen. Das freut uns. Denn wir finden: Eigenlob stinkt nicht, wenn man Wort hält. Und um Worte geht es in Büchern bekanntlich. Seite um Seite. Also: Nicht umblättern! Hier zeigen sich die Autoren und Autorinnen von ihren besten Seiten.
Claude Cueni
«Hotel California»
Darum geht es in meinem Buch
Der Song «Hotel California» ist der Soundtrack dieses surrealistischen Romans. Ein Mann wacht in der kalifornischen Wüste auf. In der Ferne sieht er ein Hotel ohne Nachbarschaft. Man kann es jederzeit betreten, aber nie mehr verlassen. Der Mann ist auf der Suche nach seiner noch ungeborenen Tochter Elodie. Absurd? Ja, ziemlich absurd.
Darum sollten Sie es lesen
Marc Stucki schrieb auf Facebook: «Wenn ich meiner Tochter nur ein Buch auf ihren Lebensweg mitgeben dürfte – das wäre es.» Den Text schrieb ich ursprünglich für meine ungeborene Enkelin Elodie, da ich nicht mehr erleben werde, wie sie als Teenager ist. Das Ganze ist mir entglitten, es wurde ein Lebensratgeber in Romanform. Ich sage Elodie, was im Leben wirklich zählt, weil man das erst am Ende des Lebens erfährt. Wenn es vorbei ist. Wenn es zu spät ist. Das ist die Ironie unseres Daseins. Radiolegende François Mürner kommentierte auf Amazon: «Muss man gelesen haben.» Gehört dieses Buch in Ihren Reisekoffer? Das geringe Gewicht spricht auf jeden Fall nicht dagegen.
Claude Cueni (65) schreibt neben Romanen auch jeden zweiten Freitag die Blick-Kolumne «Geschichte».
«Hotel California», Nagel & Kimche. 162 Seiten
Hildegard E. Keller
«Was wir scheinen»
Darum geht es in meinem Buch
Sommer 1975. In ihren letzten Ferien im Tessin unternimmt Hannah Arendt, die Hauptfigur meines Romans, eine grosse Lebensreise. Es geht von Tegna nach New York über Paris, Berlin und Zürich nach Jerusalem, an den Prozess gegen SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann. Seit ihrem Buch darüber ist ihr Name in der Weltöffentlichkeit. Was ist der Preis für die Freiheit, die sie sich darin genommen hat?
Darum sollten Sie es lesen
Hand aufs Herz: Wann durften Sie je wie ein Vogel auf der Schulter einer quicklebendigen, grossen Denkerin sitzen und zuhören, was sie aus ihrem Leben erzählt? 558 Seiten lang bei und mit einem Menschen, der so frei über das Unfassbare seines Jahrhunderts nachdenkt wie niemand vor oder nach ihm. Das Abenteuer Mensch-Sein ist nicht bloss Theorie für Arendt. Sie weiss, dass es dazu Mut braucht, weil Freiheit kein Geschenkartikel ist. In diesem Sommer freut sie sich über Gesellschaft, denn sie erzählt gern und gut. Das Erinnern gibt Kraft. Hoffentlich auch Ihnen.
Hildegard E. Keller (61) ist Autorin, Kulturunternehmerin, Literaturkritikerin und unterrichtet an der Universität Zürich Multimedia-Storytelling.
«Was wir scheinen», Eichborn, 558 Seiten
Lukas Hartmann
«Schattentanz»
Darum geht es in meinem Buch
Der Maler, Zeichner und Musiker Louis Soutter, geboren in Morges VD (1871–1942), hat mich seit Jahren fasziniert, zuerst durch seine Fingermalereien, dann auch, als ich seinen Lebensspuren nachging. In meinem Roman versuche ich, diesem rätselhaften Künstler näherzukommen, indem ich ihn aus der Sicht unterschiedlicher Personen porträtiere.
Darum sollten Sie es lesen
Ich lasse wie in einem Reigen die ehrgeizige Mutter, die Schwester, die Geliebte erzählen und natürlich den Architekten Le Corbusier, seinen berühmten Cousin. Der kümmerte sich, beinahe als Einziger, um Soutter, nachdem dieser mit fünfzig in ein abgelegenes Altersheim verbannt worden war. Ich versuche zu zeigen, wie Louis Soutter trotz seiner sozialen Isolation früh durchschaute, welche Katastrophe der Faschismus verursachen würde. Seine Klarsicht und seine tanzenden Schattenfiguren führten zum Bruch mit dem Cousin. Mich freut es, wenn mein Buch dazu beiträgt, dass manche Leserin und mancher Leser Louis Soutter neu entdecken werden.
Lukas Hartmann (76) ist Schriftsteller und Ehemann von Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
«Schattentanz», Diogenes, 256 Seiten
Simone Meier
«Reiz»
Darum geht es in meinem Buch
Valerie schaut bei einem Mann zuerst auf sein Auto und konsumiert Liebhaber wie Zigaretten. Für Luca ist jedes Mädchen ein Weltwunder. Sie ist Mitte 50, er noch nicht 20. Die beiden finden in einer rührenden Wahlverwandtschaft zueinander.
Darum sollten Sie es lesen
Beim Schreiben von «Reiz» erlaubte ich mir alles, was letztes Jahr verboten war: Valerie und Luca reisen wie verrückt, Leute treffen sich in Bars und tanzen in Clubs, Hemmungen sind dazu da, um sie abzulegen, Gefühle kennen keine Zurückhaltung. «Reiz» spielt im Sommer, es ist grundsätzlich schönes Wetter, Wasser ist wichtig, deshalb sieht man auf dem Cover auch den Grund eines Pools. Wasser war auch mein Leitmotiv für das Leseerlebnis, das ich bieten wollte: Denn ihr, liebe Leserinnen und Leser, sollt euch durch «Reiz» treiben lassen können wie auf einem Fluss. Er trägt euch durch eine Landschaft aus lauter schönen, komischen und manchmal auch schaurigen Liebesgeschichten, und am Ende kommt ihr mit einem wohligen Seufzer wieder in eurer Realität an.
Simone Meier (51) ist Schriftstellerin und Journalistin beim Onlinemedium «Watson».
«Reiz», Kein & Aber, 240 Seiten
Adolf Muschg
«Aberleben»
Darum geht es in meinem Buch
Im Roman geht es darum, dass einer sich selber in Form einer Figur ein zweites Leben schafft, weil sein erstes gesundheitlich gefährdet ist. Das Buch ist also ein Aufbegehren gegen das Lebensende.
Darum sollten Sie es lesen
Ich möchte Ihnen ein Erlebnis verschaffen. Ich wünsche mir Leserinnen – das muss ich nicht nur sprachlich korrekt, sondern auch realistisch sagen, denn Frauen lesen bei weitem mehr. Bei einer Lesung sind 80 Prozent Frauen, die Männer werden mitgeschleppt. Und dort habe ich echte Glücksgefühle, wenn mir nach der Lesung Menschen den Roman bringen und sagen: «Die Stelle, die ist mir geblieben.» Und sie rezitieren dann den Text. Dann mache ich grosse Augen und frage: «Habe ich das geschrieben?» Danach packt mich eine absurde Eitelkeit: In diesem Moment habe ich einem Menschen etwas bedeutet durch das, was ich geschrieben habe. Dann weiss ich: Ich habe nicht umsonst daran gearbeitet. Ich mache mir keine Illusion, das wird kein Bestseller, aber ich möchte das Buch vertreten können, solange ich lebe.
Adolf Muschg (87) ist Schriftsteller und lebt in Männedorf ZH.
«Aberleben», C. H. Beck, 368 Seiten
Silvia Tschui
«Der Wod»
Darum geht es in meinem Buch
In «Der Wod» geht es darum, wie Menschen erlittene Verletzungen, sei das durch Krieg oder anderes Ungemach, bewusst oder unbewusst an die nächsten Generationen weitergeben. Die Handlung umspannt ein ganzes Jahrhundert, ist packend und ein wilder Ritt durch die Zeit und ganz unterschiedliche Gesellschaftsschichten und Milieus.
Darum sollten Sie es lesen
Als Autorin finde ich es sehr schwierig, mein eigenes Buch anzupreisen. Ich überlasse das deshalb Pressestimmen: Die «NZZ» nennt «Der Wod» «eine grosse Erzählung», die «immer spannend bleibt», die «Berliner Zeitung» vergleicht ihn mit dem Weltbestseller «Hundert Jahre Einsamkeit» von Gabriel Garcia Marquez. Das ZDF meint: «Dieses Buch muss man einfach lesen.» Und in der Sendung «52 beste Bücher» auf SRF 2 meinte Kritiker Julian Schütt, er habe «noch kein Buch in der Schweizer Literatur angetroffen, das einen derartigen Sog entwickelt». Ich ergänze nur: Durch die ersten dreissig Seiten muss man sich etwas durchkämpfen, dann gehts richtig los: mit Nazis, Freimaurern, Sex, Drugs, Rock 'n' Roll und vielem mehr.
Silvia Tschui (47) ist Schriftstellerin und Journalistin im Ressort Gesellschaft der Blick-Gruppe. Sie hat einen Sohn und lebt in Zürich.
«Der Wod», Rowohlt Verlag, 272 Seiten
Patrícia Melo
«Gestapelte Frauen»
Darum geht es in meinem Buch
Eine junge Anwältin verfolgt im entlegenen Amazonasgebiet Gerichtsverhandlungen zu Femiziden, also Frauenmorden. Um der harten Realität zu entkommen, flüchtet sie sich in eine mythische, geheimnisumwirkte Traumwelt, an die Seite von kämpferischen Amazonen.
Darum sollten Sie es lesen
Erstens, weil es ein unheimlich dringliches Thema behandelt, das weltweit traurige Realität ist, nicht nur am Schauplatz Brasilien, sondern auch in Europa, selbst in der Schweiz. Und zweitens, weil ich meiner Protagonistin erlaubt habe, in einer Traumwelt mit dieser Realität abzurechnen. Sie schliesst sich den Icamiabas an – der Legende nach sind das Amazonen, Kriegerinnen, die gegen Männer kämpfen und sich ihre linke Brust amputieren, um den Bogen besser spannen zu können. Das traumhafte Element der Abrechnung hat in gewisser Weise einen heilenden Charakter – aus ihm lassen sich die Kraft und der Mut ziehen, sich wieder in die Realität zu begeben.
Patrícia Melo (59) zählt zu den wichtigsten Stimmen der brasilianischen Gegenwartsliteratur. Sie lebt mit ihrer Familie in Lugano TI.
«Gestapelte Frauen», Unionsverlag, 256 Seiten
Giuseppe Gracia
«Der Tod ist ein Kommunist»
Darum geht es in meinem Buch
Der Journalist Hofstetter wird von einer schwer bewaffneten Gruppe entführt, die überzeugt ist, dass demnächst die Menschheit untergeht, bedingt durch verschiedene Krisen (Pandemien, Klimawandel, globale Verblödung). Hofstetter glaubt kein Wort, bis ihm die schöne Nathalie begegnet und ihm klarmacht: Die wahre Liebe existiert, und es ist ihre Mission, die Welt zu retten.
Darum sollten Sie es lesen
Weil dieses Buch Spass macht und gute Laune verbreitet mit viel Action, sanfter Romantik und kostspieligem Champagner. Es gibt Zeitreisen und Erotik im Grandhotel. Grössenwahnsinnige Politiker und Geheimlogen, die durch den Kakao gezogen werden. Freiheitskämpfer, die gegen Corona- und Klima-Pessimismus antreten. Unterirdische Tempelanlagen, die von glatt rasierten Schönheiten bewacht werden. Ein Buch wie eine Mischung aus Indiana Jones, Friedrich Dürrenmatt und James Bond. Mit einem romantischen Knaller-Finale.
Giuseppe Gracia (53) ist Schriftsteller und Kommunikationsberater und war bis vor kurzem Blick-Kolumnist.
«Der Tod ist ein Kommunist», Fontis, 128 Seiten