Hans-Peter Sigg (80) steht vor der alten Zollbrücke, die Rheinau ZH und Jestetten (D) verbindet, und ist verzweifelt. Der Grund: die Unfähigkeit der deutschen Behörden.
Die Brücke wird seit zwei Monaten umfangreich saniert und ist für den Verkehr gesperrt. Obwohl die Landesgrenze mitten im Rhein liegt, gehört die Brücke dem Kanton Zürich. Dieser investiert 810'000 Franken in die Reparaturarbeiten. Er verstärkt die Tragkonstruktion, erneuert das Dach und die Fahrbahn.
Deutschland macht nicht mit
Die Krux an der Sache: Ein Teil, das Brückenlager auf Jestetter Seite, liegt in deutscher Zuständigkeit. Dort aber sind keine Sanierungsarbeiten geplant, obwohl auch dieser Teil sanierungsbedürftig ist. Beim Kanton Zürich heisst es: «Unsere deutschen Kollegen hatten wir frühzeitig über die von uns geplante Instandsetzung des Dachs und der Fahrbahn informiert.»
Rentner Sigg kann nicht verstehen, warum der Teil auf deutscher Seite nicht zeitgleich saniert wird. Er fürchtet, dass seine geliebte Zollbrücke bald wieder gesperrt werden muss. Die Brücke war 2020 wegen der Corona-Pandemie schon für drei Monate komplett geschlossen.
Sigg war schon mit seinem Vater auf der Brücke
Die 80 Meter lange Brücke verbindet nämlich nicht nur die Schweiz mit Deutschland, das Zürcher Weinland mit dem Jestetter Zipfel. Sie verbindet auch Menschen wie Hans-Peter Sigg mit Freundinnen und Freunden aus der Schweiz. Und umgekehrt. Sigg hat lange in der Schweiz gearbeitet. Die Brücke ist für ihn die wichtigste Verbindung dahin.
Hans-Peter Sigg ist in Jestetten aufgewachsen. Die alte Zollbrücke liebt er seit seinem fünften Lebensjahr. Damals nahm ihn sein Vater Ernst auf die Brücke zum Fischen mit. «Mein Vater war der grösste Fischer vor dem Herrn», erzählt er nostalgisch.
Heute ist er in Rheinau aktiv in einem Verein. Und die tägliche Überquerung der Brücke ist sprichwörtlich auch sein täglich Brot. Er sagt: «Ich kann das deutsche Brot nicht essen und gehe jeden Tag in den Volg in Rheinau. Dort gibt es das beste St.-Galler-Brot!» Um während der Bauarbeiten nach Rheinau kommen zu können, muss er jedes Mal einen Umweg von etwa 20 Kilometern fahren. Die einzigen Verbindungen führen entweder über Schaffhausen oder Flaach ZH.
Die Behörden wimmeln ab
Sigg forderte darum von den deutschen Behörden Antworten. Wollte wissen, warum die Brücke nicht in einem Zug repariert werden kann – und wurde abgewimmelt. Immer wieder. Er wurde bei seinen unzähligen schriftlichen Nachfragen bei Gemeinde und Ämter über Monate stets vertröstet oder an andere Stellen weitergereicht. Von der Gemeinde Jestetten an das Landkreisamt Waldshut und zurück. Das belegen seine zahlreichen E-Mails, die er ausgedruckt und zu einem dicken Dossier zusammengetragen hat. «Das hat mich zur Verzweiflung getrieben», sagt er.
Weil ihn der deutsche Bürokratismus so nervte, wollte er gemeinsam mit Freunden eine Spendenaktion starten und die Brücke selber reparieren. Er erkundigte sich auf dem Landratsamt Waldshut, wie es um den Denkmalschutz steht. Aber auch da hiess es: «Wir weisen darauf hin, dass wir Ihnen erst eine genaue Auskunft über das Objekt und dessen Denkmaleigenschaften übermitteln können, wenn Sie (datenschutzrechtlich) ein berechtigtes Interesse an der Auskunft vorweisen können.» Abgewimmelt. Schon wieder!
Zu spät für Eigeninitiative
Eine Bürokratie, die Hans-Peter Sigg den letzen Nerv raubt. «Das Amt ist so riesig, die brauchen das Geld wahrscheinlich, um sich am Leben zu erhalten – nicht um irgendeine Brücke zu sanieren», sagt er.
Jetzt ist es so oder so zu spät. Die Bauarbeiten sollen am Freitag beendet werden. «Inzwischen wurde durch Behördenhindernisse zu viel Zeit vertrödelt», sagt Hans-Peter Sigg resigniert. Immerhin ein Trost bleibt: Er kann schon bald wieder ohne Umwege sein geliebtes St.-Galler-Brot einkaufen gehen.