Bauer sein ist heute auch ein Bürojob. Die Bürokratie ufere aus, klagt Bauernverbands-Präsident Markus Ritter (54) im Blick. «Der administrative Aufwand für uns Landwirte ist heute ein administrativer Wahnsinn!»
Die Klagen sind nicht neu – und dennoch hat sich aus Sicht der Bäuerinnen und Bauern bis heute wenig getan. Landwirtin Sandra Steffen-Odermatt (41) aus dem Entlebuch erzählt, dass sie sich vor einer Kontrolle jeweils wie einst vor der Autoprüfung fühle – und das, obwohl sie gelernte Buchhalterin ist. Die Bauern kritisieren, dass die einzelnen Aufzeichnungspflichten zwar meist nachvollziehbar seien. Doch die Menge kaum mehr bewältigbar sei.
60 Vereinfachungen in sechs Jahren
Auch Christian Hofer (48) war einst Landwirt. Heute sitzt der studierte Agronom in einem Büro im Berner Liebefeld und leitet das Bundesamt für Landwirtschaft. Er habe Verständnis für die Kritik der Bäuerinnen und Bauern, sagt er. «Die administrative Vereinfachung ist ein andauerndes Thema, das wir immer berücksichtigen müssen.»
Aus seiner Sicht ist aber bereits viel passiert. In den vergangenen sechs Jahren habe man über 60 Vereinfachungen umgesetzt. «Das ist keine Kosmetik», widerspricht der BLW-Direktor der Kritik von Bauern. «Unter anderem ist die Zahl der Kontrollen ab 2020 auf den Betrieben stark reduziert worden: Sie werden nicht mehr gleich häufig, sondern risikobasierter durchgeführt.»
Neue Gesetze bringen neuen Aufwand
Eine Mehrheit der Bauern hat dennoch den Eindruck, dass die administrative Belastung in den vergangenen Jahren weiter gestiegen ist. Das ergab eine Umfrage. Damit konfrontiert, führt Hofer ins Feld, dass nicht für alles sein Amt verantwortlich gemacht werden könne. Zu den Gesetzen und Verordnungen im Landwirtschaftsbereich kämen beispielsweise der Tierschutz, der Gewässerschutz, die Raumplanung und Vorgaben von Labels wie Bio oder IP Suisse hinzu. «All das häuft sich an.»
Zudem müsse man berücksichtigen, dass die Politik die Richtung vorgebe. «Wenn das Parlament neue Auflagen an die Adresse der Landwirtinnen und Landwirte formuliert, ist das zum Teil auch mit administrativen Arbeiten verbunden.» So werden beispielsweise die neuen Pestizid- und Dünge-Richtwerte, die das Parlament jüngst beschlossen hat, mehr Papierkram zur Folge haben.
Aber auch die Landwirte seien nicht unschuldig
Nicht zuletzt sieht Hofer aber auch die Landwirte selbst in der Verantwortung. «Teilweise ist die Landwirtschaft selber Treiber der Komplexität, weil sie sehr differenzierte Massnahmen wünscht, damit möglichst viele Betriebe mit Direktzahlungen unterstützt werden», sagt er. Dies sei zum Beispiel im Bereich des Tierwohls mit den vielen verschiedenen Tierkategorien und Ausnahmenbestimmungen der Fall. «Aus Praxissicht erachte ich es als wichtig, dass Erhebungen und Kontrollen möglichst einfach und verständlich sind. Darauf wird beim BLW geachtet.»
Bauernverbands-Präsident Ritter bezweifelt dies. Er wirft den Beamten des BLW vor, beim Bürokratieabbau aus Eigeninteresse nicht vorwärtszumachen. Weil sie bei einem Abbau nämlich an ihrem eigenen Stuhl sägen würden. Auch diesen Vorwurf weist Hofer von sich. Man prüfe systematisch, ob die bestehenden Massnahmen notwendig seien und den Aufwand rechtfertigten. «Die begrenzten Mittel zwingen uns dazu. Wir sind froh, wenn wir Massnahmen aufheben und die Agrarpolitik dadurch vereinfachen können», beteuert Hofer.