Dass ein Dozent einer grossen Institution wie der Eliteuniversität Georgetown in den USA die Namen seiner Studierenden nicht kennt, ist zunächst keine Überraschung. Überraschend ist allerdings, wie ein Schweizer Rechtsprofessor mit seinem Unwissen umgeht – er löst mit seiner Reaktion einen Skandal aus, wie die Zeitschrift «Above the Law» berichtet.
Franz Werro (65) ist Professor für Obligationen- und europäisches Privatrecht. Nebst seiner Anstellung an der Universität Georgetown in Washington D.C. doziert er ebenfalls an der Universität Freiburg. Wie ein auf Twitter veröffentlichtes Video zeigt, sprach er am 10. Februar einen asiatischstämmigen Studenten als «Mr. Chinaman» an. Dieser Begriff gilt in den USA als diskriminierend gegenüber Menschen mit asiatischen Wurzeln.
Professor entschuldigt sich für Ausdruck
Verwendung fand der Ausdruck Mitte des 19. Jahrhunderts, als viele chinesische Migranten in die USA kamen, wo sie vor allem zum Bau der transkontinentalen Eisenbahnstrecke beitrugen. Während dieser Zeit wurden die chinesischen Arbeiter von weissen Amerikanern oft als «Chinaman» und nicht mit ihren individuellen Namen angesprochen. Dies erklärt Herb Tam, der Kurator des Museum of Chinese America in New York, gegenüber der Zeitung «Huffington Post». So sei das Gefühl entstanden, dass die chinesischen Migranten «eine undifferenzierte Masse austauschbarer Menschen» seien.
Am Tag nach dem Vorfall entschuldigte sich Professor Werro per E-Mail bei seinen Studierenden für den «beleidigenden Ausdruck», den er verwendet hat. «Die Äusserung habe ich kurz nach der Pause gemacht, in der ich mit Begeisterung die grosse Vielfalt der von den Mitgliedern der Klasse gesprochenen Sprachen festgestellt hatte». Da Englisch nicht seine Muttersprache sei, sei ihm nicht klar gewesen, dass er einen beleidigenden Ausdruck verwendet habe.
Werro sei der Auffassung gewesen, dass er den Begriff gleichwertig mit Ausdrücken wie «Frenchman» oder «Englishman» verwenden könne, die keine negative Konnotation haben. Am Ende der Nachricht verspricht der Schweizer: «Ich verpflichte mich, mich weiterzubilden, weil ich möchte, dass sich alle Schüler in meinem Klassenzimmer willkommen fühlen».
Nicht der erste rassistische Vorfall an der Universität
Es ist nicht der erste rassistische Vorfall an der US-amerikanischen Eliteuniversität. Bereits im März 2021 wurde die Jus-Professorin Sandra Sellers (62) aufgrund von Rassismusvorwürfen entlassen. Sie soll in einem Videotelefonat mit Kollegen gesagt haben, dass viele ihrer schwarzen Studierenden schlechtere Notendurchschnitte aufweisen würden als nicht-schwarze Studierende. (chs)