Prognosen komplett daneben
Deutlich weniger Krankenkassenwechsel als vorausgesagt

Mehr als jeder Dritte werde die Krankenkasse wechseln, hiess es in Umfragen. Jetzt zeigt sich: Die Versicherten blieben ihren Anbietern trotz Prämienanstieg treu.
Publiziert: 21.01.2024 um 02:00 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2024 um 21:35 Uhr
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Die KPT wurde im letzten Jahr überrannt. Trotz Prämienanstieg sind viele Versicherte geblieben.
Foto: keystone-sda.ch
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Peter AeschlimannRedaktor

Als der damalige SP-Gesundheitsminister Alain Berset (51) im letzten Herbst eine happige Erhöhung der Krankenkassenprämien ankündigte, schlug die Stunde der Vergleichsportale. 35 Prozent der Versicherten planten einen Wechsel, prophezeite die Website bonus.ch. Und Felix Schneuwly, Krankenkassenexperte bei Comparis, wagte bei SRF die Prognose, dass 2024 wohl «so um die 15 Prozent» den Anbieter für die Grundversicherung wechseln werden.

Vergleichsportale verschätzen sich

Beide lagen komplett daneben, wie sich jetzt zeigt. Die Schweizerinnen und Schweizer sind bei ihrer Wahl des Versicherers offenbar viel weniger preissensibel, als die Umfragen vermuten lassen. Gemäss Santésuisse haben aufs neue Jahr etwa 800'000 Versicherte die Kasse gewechselt, das entspricht rund 8,8 Prozent. Für seine Schätzung hat der Krankenkassenverband die neu gedruckten Krankenkassenkarten gezählt und das Resultat bereinigt – verlorene Karten und Fusionen bei den Anbietern wurden nicht mitgerechnet. «Somit können wir ziemlich genau beziffern, wie hoch der Anteil der Wechselnden tatsächlich ist», sagt Christoph Kilchenmann, Chefökonom bei Santésuisse.

Schon ein Jahr zuvor irrten sich die Vergleichsportale frappant. Eine Comparis-Umfrage ergab damals, dass auf 2023 rund 27 Prozent der Versicherten ihren Anbieter wechseln wollten. Effektiv waren es dann gemäss Santésuisse nur 7,6 Prozent, also dreieinhalbmal weniger.

Oftmals dennoch mit der Versicherung zufrieden

Über die Gründe, weshalb Umfragen und Realität dermassen weit auseinanderliegen, kann nur spekuliert werden. Sicher ist: Viele Wechselnde sind Gold für die Vergleichsportale. Wenn eine Person via entsprechende Website eine Offerte bestellt, verdienen die Macher des Portals mit. Kilchenmann sagt: «Diese Umfragen sollen je nach Absender ja auch zu möglichst vielen Wechseln animieren.» Wer sie lese, denke sich vielleicht: «Wenn es alle tun, könnte ich ja auch wechseln.» Eine Absicht ist aber noch keine Unterschrift: «Bei genauerer Prüfung merken dann viele, dass sie ja durchaus zufrieden sind mit ihrem Anbieter.»

Ein weiterer Grund für die Diskrepanz könnte auch bei den Nutzerprofilen zu finden sein. Tendenziell nehmen eher jüngere, Internetaffine Menschen an Onlineumfragen teil. Und Jüngere wechseln in der Regel auch häufiger ihren Anbieter als Ältere. Letztere haben möglicherweise bereits Erfahrungen gemacht mit ihrer Versicherung, das stärkt die Bindung. Santésuisse-Chefökonom Kilchenmann: «Jungen, die gesund sind, fehlt diese Erfahrung – folglich ist die Wechselbereitschaft höher.»

Nachdem Comparis im Herbst 2022 mit der Prognose stark danebenlag, hat man im letzten Jahr auf eine Umfrage verzichtet. Auch künftig will das Vergleichsportal auf diese Erhebungen verzichten. «Sie schaden letztlich unserer Glaubwürdigkeit», sagt Felix Schneuwly. Der Comparis-Experte erklärt sich die zu hohen Prognosen damit, dass Leute, die sich nicht für einen Wechsel interessierten, auch nicht an den Umfragen teilnehmen würden. Die knapp neun Prozent Wechselnden, die Santésuisse ermittelt hat, hält er für untertrieben: «Es sind über zehn Prozent.»

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