Pistengaudi in der Krise
Null Bock auf Après-Ski

Zu teuer, zu ungesund: Das Après-Ski hat seinen Glanz verloren. Augenschein in Adelboden, wo schon wieder ein Hotspot dichtgemacht hat.
Publiziert: 09.02.2025 um 16:28 Uhr
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Aktualisiert: 06:07 Uhr
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Ein Bild aus besseren Zeiten: Wilde Party beim Hahnenstall in Adelboden.
Foto: Instagram/hahnenmoos

Auf einen Blick

  • Après-Ski verliert an Attraktivität in Schweizer Skigebieten
  • Verändertes Ausgehverhalten und Fokus auf Sicherheit beeinflussen Après-Ski-Kultur
  • «Hahnenstall» in Adelboden schliesst, «Popcorn» in Saas-Fee bereits 2021 geschlossen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Peter AeschlimannRedaktor

Der Name des Pubs im Dorfzentrum lautet «Time out». Und ein solches scheinen auch die Gäste zu nehmen. In Adelboden im Berner Oberland ist nichts los am frühen Donnerstagabend – obwohl gerade Sportferien sind. Nur ein älterer Herr nippt draussen an der Bar einsam an seiner Stange.

Das war nicht immer so. Davon erzählt eine Gedenktafel, die an der Betonwand des Hotelbunkers auf der gegenüberliegenden Strassenseite angebracht ist: Das «Haus Alpenrose», das hier einst stand, habe zuletzt noch «als Unterkunft für anspruchslose Gruppen» gedient, ehe es 2018 abgerissen wurde und dem heutigen Hotel Revier Platz machen musste. Die Bar, die im «Rösi» beheimatet war, habe bei der örtlichen und auswärtigen Jugend, die sich zu Bier und Billard traf, gewissen Kultstatus erlangt.

In den Nullerjahren herrschte im «Rösi» nach Pistenschluss stets Hochbetrieb. Es stank nach feuchten Socken und Rauch, und von der Decke baumelten Hunderte trockener Teebeutel, welche die Gäste nach Konsumation des legendären Münzen-Gins, einem heissen Tee mit Schnaps und Zitrone, jeweils in die Höhe geschleudert hatten. Aus der Jukebox dröhnte «I hätt no viu blöder ta» von Gölä, doch das schien kaum möglich. Heute trägt in Adelboden nur noch der vom Dorf aus gut sichtbare Gipfel des Wildstrubels das Prädikat «wild» im Namen. Aber auch der sah schon voller aus – der Gletscherschwund hat dem berühmten Berg in den letzten Jahren arg zugesetzt.

Langeweile an der Schneebar

Ein paar Stunden früher, im Skigebiet Silleren-Hahnenmoos. Im vergangenen Winter wurde hier noch gefeiert. Blick zählte den «Hahnenstall» zu den besten Après-Ski-Bars der Schweiz. Jetzt zuckt der Barkeeper bloss mit den Schultern: «Das ist vorbei.» Der Halligalli-Hotspot hat, ohne es an die grosse Glocke zu hängen, dichtgemacht. Auf der Website, die mit Bildern aus ausgelasseneren Zeiten wirbt, heisst es zwar immer noch: «Die Wintersaison 2024/2025 wird grandios sein ... Programm coming soon».

Doch auf der Bar liegt bloss ein übergrosser Teddybär in den Seilen, der ein Baseballcap mit dem Logo des Hahnenstalls trägt. Sonst erinnert an diesem sonnigen Nachmittag auf dem Hahnenmoos fast nichts mehr an die goldenen Après-Ski-Tage von einst. Die alte Werbetafel, die für einen Kübel Smirnoff Ice wirbt, sechs Flaschen für 35 Franken, wird von den spärlich vorhandenen Gästen ignoriert. Nur zwei gelangweilte Frauen in glitzernden Skioveralls und mit Sonnenbrillen aus den 90ern sitzen am Tresen einer Freiluftbar und stochern in einem Apéroteller herum. Statt Mallorca-Kracher rieseln Country-Schnulzen aus den Boxen.

Entsprechend konsterniert fallen die 1-Sterne-Bewertungen im Internet aus. Ein Gast schreibt: «Wir haben uns riesig auf die Après-Ski-Bar gefreut. Leider gibt es diese nicht mehr.» Die Betreiber liessen eine Anfrage von SonntagsBlick unbeantwortet.

Lieber Piste als Promille

Was passiert da gerade in den Bergen? Vermutlich das, worüber die Bar- und Clubbetreiber auch in den Städten seit geraumer Zeit ächzen: Das Ausgehverhalten der Menschen hat sich – spätestens seit der Pandemie – grundlegend verändert. Man amüsiert sich seltener im Ausgang, konsumiert weniger.

Zu dem Befund kommt auch Gianluca Scheidegger, Forscher am Gottlieb Duttweiler Institut in Rüschlikon ZH. Seine Studie «Ausgebummelt» hält fest, dass heute immer mehr Menschen unter Zeitdruck stehen und ihre begrenzte Freizeit gezielt priorisieren. Sie entscheiden sich zunehmend für Aktivitäten, die ihnen nicht nur Spass und Freude bringen, sondern auch einen tieferen Sinn stiften. Scheidegger: «In diesem Kontext kann es gut sein, dass viele Menschen zum Schluss kommen, dass die Zeit auf der Piste für sie erfüllender ist als das Feiern in der Après-Ski-Bar.»

Ebenfalls ins Gewicht falle die Tatsache, dass die Preise für einen Skipass heute deutlich teurer seien als noch vor zwanzig Jahren. Damit steigen die Opportunitätskosten von Après-Ski. «Die Leute wollen möglichst viel Zeit auf den Ski oder auf dem Snowboard verbringen – und dies bestenfalls nicht verkatert.»

«Andorra ist das Après-Ski des Après-Skis»
2:43
Von der Piste in den Club:«Andorra ist das Après-Ski des Après-Skis»

Sicherheit rückt in den Fokus

Ähnlich klingen die Erklärungsversuche von Adelboden Tourismus. Sie würde nicht sagen, dass das Après-Ski in Adelboden an Attraktivität verloren habe, sagt Sprecherin Caroline Willems, vielmehr habe sich das Angebot gewandelt. Es sei heute vielfältiger und biete einen ausgewogenen Mix für alle Gäste. Trotzdem würden in Adelboden nach wie vor klassische Après-Ski-Partys stattfinden, so zum Beispiel in der «Taverne». «Läuft man abends durchs Dorf, sind sämtliche Restaurants und Bars gut besucht.» Früher sei am 1. Januar kaum jemand auf den Ski anzutreffen gewesen, heute sei es ein Skitag wie jeder andere auch. «Ich denke, das verdeutlicht die Veränderung.»

Am Berg rücke ausserdem die Sicherheit zunehmend in den Fokus, so Willems. Sobald die Bahnen nicht mehr fahren, sind die ersten Pistenfahrzeuge unterwegs. Die Arbeiten mit Seilwinden können dann für Spätheimkehrende ein Risiko darstellen. Deshalb, sagt Willems, habe der Hahnenstall das Angebot angepasst und das Après-Ski endet neu vor der letzten Pistenkontrolle. Ende Dezember 2024 verletzte sich im Skigebiet Adelboden-Lenk eine 17-jährige Skifahrerin während der Fahrt ins Tal bei einem Zusammenprall mit einer Seilwinde schwer. Wenige Tage später starb die junge Frau im Spital.

Lärmklagen und Streit

Die neue Ernsthaftigkeit setzt sich auch in anderen Skigebieten durch. In Davos GR schickte sich 2022 ein Verein an, das Après-Ski zu revolutionieren. Nach zwei Austragungen war heuer aber bereits Schluss mit dem «grössten Winter-Pop-up der Alpen». Die Bauten auf dem Seehofseeli-Areal und der Lärm, der ihnen entwich, sorgten für Unmut bei Anwohnern und Gästen. Ebenfalls wegen einer Lärmklage musste zuvor das Après-Ski-Eldorado des Bolgen Plaza an einen neuen Standort zügeln. Doch im eilends gebauten Ersatzchalet kam nie mehr die gleiche Stimmung auf, wie sie damals auf der Galerie des Kultlokals herrschte, wo Leute in klobigen Skischuhen tanzten und Bündner Röteli tranken, als gäbe es keine erste Gondel.

Après-Ski-Flaute herrscht ebenfalls in Saas-Fee VS. Schon 2021 machte dort das berühmt-berüchtigte «Popcorn» zu – nach fast 30 Jahren. Der britische «Guardian» hievte das Lokal 2007 in die Top 10 der weltbesten Après-Ski-Bars. Nach einem Streit mit dem Vermieter leitete der Umzug vom Dorfzentrum an den Dorfrand den Untergang des Popcorns ein. Am neuen Standort in der Nähe des Busbahnhofs erinnerte nichts mehr an exzessive Partynächte wie jene, als die Snowboard-Ikone Terje Håkonsen oben ohne auf dem Billardtisch tanzte oder Mitglieder der New Yorker Rap-Combo Wu-Tang Clan in den verlebten Ledersofas hingen und Joints drehten.

Es sind andere Zeiten jetzt. Vor der Bar im Hotel Revier steht ein einsames Paar Ski im Holzrechen. Als es das «Rösi» noch gab, musste man dessen Eingang vor lauter Latten und Brettern jeweils suchen. Zwei junge Männer mit Ski über den Schultern schlendern vorbei, sie wollen zurück in die Ferienwohnung, dort wartet ein Fondue auf sie. Après-Ski? Das war einmal.

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