Auf einen Blick
- 63 Studierende unterzeichnen offenen Brief an ZHAW-Leitung
- Sie fordern Massnahmen gegen Extremismus
- Auslöser ist eine Hebammen-Studentin mit Verbindungen zur rechtsextremen Jungen Tat
«Unsere Studienwahl repräsentiert das Ziel, jedem Menschen die bestmögliche Pflege und Unterstützung zu bieten. Diese Haltung wird jedoch infrage gestellt, wenn Studierende unserer Fachhochschule extremistische und menschenfeindliche Ideologien im Privatleben unterstützen und fördern.»
So steht es in einem offenen Brief, den 63 Studierende verschiedener Studienrichtungen und Jahrgänge aus dem Departement Gesundheit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) unterzeichnet haben. Der Betreff: «Wir fordern ein sicheres Gesundheitswesen – Kein Raum für Extremismus an der ZHAW!»
Studentin ist mit Anführer der Jungen Tat zusammen
Auslöser für den offenen Brief ist die Hebammen-Studentin S. C.* (22). Seit September studiert sie wieder im Gesundheitsdepartement der ZHAW. Zuvor hatte sie ihr Studium aufgrund ihrer Schwangerschaft unterbrochen. S. C. steht in enger Verbindung mit der rechtsextremen Gruppe Junge Tat und ist in einer Beziehung mit Anführer Manuel C.* (24). Auf eine Anfrage hat sie nicht reagiert.
Wie soll die Hochschule mit der heiklen Personalie umgehen? Klar ist: Verbindungen zur rechtsextremen Szene sind kein Ausschlussgrund. Die ZHAW schreibt denn auch, dass sie als öffentlich-rechtliche Hochschule die Grundrechte einzuhalten habe: «Dementsprechend stellen die politische Überzeugung oder Weltanschauung allein keinen Grund dar für einen Ausschluss von Studierenden aus dem Hochschulstudium dar.»
Studierende fordern Stellungnahme von Schulleitung
Die Unterzeichnenden fordern im offenen Brief keinen Ausschluss, sondern, dass die ZHAW Massnahmen ergreift, sodass die Hochschule ein sicherer, diskriminierungsfreier Raum bleibt, frei von extremistischen Ideologien. Studierende sollen zudem über Verbindungen zu extremistischen Gruppen aufgeklärt und vor potenziellen Gefahren geschützt werden. Und: Die Schule müsse zum Thema Stellung beziehen.
Die ZHAW versichert, dass sie die Ängste der Studierenden verstehe und diese sehr ernst nehme. Man verfolge einen Ansatz, der auf «Aufklärung und einer offenen Diskussions- und Konfliktkultur» basiere. In einer internen Dialog-Veranstaltung sollen die Anliegen der Studierenden adressiert werden.
Studentin wurde als «Neonazi-Hebamme» bezeichnet
Bereits im Februar 2023 wurden von einer anderen Gruppe wegen der Studentin Plakate an der ZHAW aufgehängt. Darauf prangte das Gesicht von S. C. mit der Überschrift «Keine Neonazis an unserer Schule». Dazu die Frage: «Willst du eine faschistische Hebamme bei deiner Geburt?» Der Leiter des Departements Gesundheit, Andreas Gerber-Grote, hatte die Plakataktion damals in einem E-Mail an die Studierenden und Mitarbeitenden verurteilt. Daraufhin wurde ein Dialogforum mit den Studierenden durchgeführt.
Wegen der Abwesenheit von S. C. hatte sich die Situation zwischenzeitlich beruhigt. Eine Hebammen-Studentin sagt: «Die ZHAW hat wohl gehofft, dass das Thema damit abgeschlossen ist.» Schon bald habe sich jedoch Widerstand formiert, und die Studierenden hätten sich organisiert. «Vor allem Personen mit Migrationsgeschichte oder queere Studierende fühlen sich nicht sicher.» Teil des Studiums seien Themen wie Schwangerschaftsabbruch oder Intergeschlechtlichkeit – darüber zu diskutieren, würde sich nicht gut anfühlen, wenn S. C. dabei sei. «Ich habe das Gefühl, mich im Unterricht nicht frei ausdrücken zu können, wenn ich weiss, dass eine Mitstudentin diese Ideologie vertritt.»
* Namen bekannt