Junge Tat für Wahlkampf engagiert
Die Rechtsextremen-Connection der Winterthurer SVP-Chefin

Nationalratskandidatin Maria Wegelin hat die Medienarbeit an die Junge Tat ausgelagert. Anführer der militanten Gruppierung produzieren ihre Wahlvideos und betreuen einen Teil ihrer Social-Media-Accounts.
Publiziert: 24.09.2023 um 00:45 Uhr
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Aktualisiert: 25.10.2024 um 16:13 Uhr
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Foto: Marc Dahinden
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Maria Wegelin will ins Bundeshaus. Die 44-Jährige ist bereits Präsidentin der SVP Winterthur, nun kandidiert sie für den Nationalrat. Auf ihren Social-Media-Profilen macht sie Stimmung gegen Migranten und verbreitet Propaganda-Slogans wie: «Die Überfremdung muss gestoppt werden!», «Grenzschutz ist Heimatschutz» oder «Jetzt handeln oder untergehen.»

Die Parolen stammen nicht von ihr selbst. Recherchen zeigen: Hinter Wegelins Wahlkampf steckt die rechtsextreme Gruppierung Junge Tat.

SonntagsBlick hat Videobilder ausgewertet, Sprachabgleiche vorgenommen und mit Insidern gesprochen. Die Ergebnisse lassen keinen Zweifel: Die Rechtsextremisten produzieren Wegelins Wahlkampfvideos und betreuen einen Teil ihrer Social-Media-Accounts. Insider bestätigen: Die Junge Tat habe für Wegelin die «Medienarbeit» übernommen.

Tobias L.* (21), einer der beiden Anführer der Gruppe, managt Wegelins Profil auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). Unter dem Namen seiner Auftraggeberin postet er ausländerfeindliche Sprüche und rechte Propaganda. Kein Zufall: Vor einer Woche erschien auf Wegelins Kanal Werbung für Nemesis Schweiz, eine rechtsextreme Frauenorganisation, die enge Beziehungen zur Jungen Tat pflegt.

Seit Anfang September veröffentlichte die SVP-Politikerin mehrere Wahlkampf-Clips. Darin schimpft sie gegen Linke, Migranten und Feministinnen. Produziert hat die Videos der Kopf der Jungen Tat: Manuel C.* (23), der in Winterthur eine kleine Design-Firma betreibt.

Video-Produzent rief «Heil Hitler!»

C. studierte wissenschaftliche Visualisierung an der Zürcher Hochschule der Künste, bis ihn die Leitung der ZHdK im Jahr 2020 hinauswarf. Grund: Er störte eine Onlinevorlesung mit «Heil Hitler!»-Rufen. Die Staatsanwaltschaft verurteilte C. wegen Judenhass. Bald darauf gründete er die Junge Tat. Dank Instagram-tauglichen Aktionen und professionell produzierten Propagandavideos hat die Gruppe online Tausende Follower. Kürzlich warnte die EU-Polizeibehörde Europol vor deren neuartiger Kommunikationsstrategie, von der nun auch Nationalratskandidatin Wegelin profitieren möchte.

Mit ihrem neurechten, hippen Auftreten und eifriger Distanzierung vom Nationalsozialismus gelingt es der Jungen Tat, den Rechtsextremismus für junge Menschen attraktiv erscheinen zu lassen. Dabei ist die Gruppe alles andere als harmlos: Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) beobachtet sie, die Polizei ist wiederholt gegen Junge-Tat-Mitglieder vorgegangen. Wegelins Wahlhelfer Tobias L. und Manuel C. wurden mehrmals vorübergehend festgenommen. Bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Beamte sogar Waffen.

Erst vor drei Wochen führten Polizisten in Deutschland und der Schweiz eine Razzia in der rechtsextremen Szene durch. Im Visier hatten die Ordnungskräfte auch L. und C., deren Wohnungen ebenfalls durchsucht wurden. Die deutsche Justiz ermittelt gegen die beiden wegen Volksverhetzung und Nötigung, weil sie im Februar vermummt vor einer Asylunterkunft im bayerischen Peutenhausen aufmarschiert waren, die Strasse blockiert und Rauchbomben gezündet hatten. Die Junge Tat pflegt enge Beziehungen zu Neonazis im Ausland.

Wie kommt eine SVP-Kaderfrau auf die Idee, mit den militanten Rechtsextremen zu paktieren? Wie viel Geld zahlt sie ihnen und teilt sie deren Ansichten? Konfrontiert mit den Rechercheergebnissen von SonntagsBlick, gibt sich Wegelin wortkarg. Zitiert werden möchte sie auf keinen Fall, nach einem kurzen Mailwechsel taucht sie ab.

Erklärte Impf- und Massnahmenkritikerin

Dabei ist Wegelin keine Unbekannte. Während der Pandemie erlangte sie nationale Bekanntheit als Massnahmengegnerin. Die gelernte Tierärztin trat an Corona-Demos auf und kritisierte die Impfung. Im September 2021 kündigte sie ihre Stelle beim Science-Center Technorama in Winterthur, weil sie sich nicht den Corona-Regeln ihrer Arbeitgeberin unterstellen wollte. In der «NZZ» klagte sie daraufhin: «Die Medien reduzieren mich auf Corona.»

Zur gleichen Zeit knallte es in der Winterthurer SVP-Sektion. Wegelins damaliger Wahlkampfleiter, der auch Vizepräsident der Partei war, legte alle seine Ämter nieder und trat aus der Partei aus – unter anderem wegen Wegelins Ansichten.

Nun hat die Präsidentin also die Junge Tat an Bord geholt. Eigentlich sollte die Verbindung geheim bleiben, die SVP-Frau weiss um die Brisanz der Kooperation. Tobias L. deutete die heikle Zusammenarbeit kürzlich zumindest an, als er in einer Onlinesendung beim Rechtsextremisten Ignaz Bearth zu Gast war.

Auf das Potenzial von künstlicher Intelligenz für seinen Aktivismus angesprochen, sagte er: «Ich arbeite sehr intensiv damit, weil ich nebenbei noch für gewisse ... Ich darf da nicht viel dazu sagen, weil ich Medienarbeit mache für Leute.»

Wenige Tage später tauchten auf den Social-Media-Profilen von Maria Wegelin KI-generierte Bilder auf.

* Namen bekannt

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