Auf einen Blick
- Geldstrafen von insgesamt 70'000 Franken für Beschuldigte der Jungen Tat gefordert
- Die rechtsextreme Gruppe wird für viele Straftaten verantwortlich gemacht
- Beschuldigte sehen sich als Teil einer harmlosen Jugendbewegung
Die Tyr-Rune ist ihr Erkennungszeichen: Mitglieder der Jungen Tat tragen sie auf T-Shirts, auf Schals – und auf ihren Sturmmasken. In Deutschland ist das Symbol verboten. Im Dritten Reich diente es als Abzeichen von Hitlers Reichsführerschulen.
Seit knapp vier Jahren provoziert die Junge Tat nicht nur mit ihrer Symbolik, sondern auch mit militanten Aktionen. Anhänger stören queere Anlässe, prügeln sich mit politischen Gegnern, zeigen ausländerfeindliche Transparente. Keine rechtsextreme Gruppe in der Schweiz ist aktiver, keine wächst schneller. Mit Instagram-tauglichen Auftritten gelingt es ihr, den Rechtsextremismus für junge Leute wieder attraktiv erscheinen zu lassen.
70'000 Franken
Nun aber holen die Sicherheitsbehörden zum Schlag gegen die Gruppe aus. Nach langwierigen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Zürich Strafbefehle gegen sechs Mitglieder der Jungen Tat erlassen. Sie fordert Geldstrafen von insgesamt 70'000 Franken – und ermittelt weiter.
Die Beschuldigten haben bereits Einsprache erhoben. Es handele sich um «haltlose Anschuldigungen» und eine «Beschneidung der Meinungsfreiheit». Man werde «diese Repression» nicht unbeantwortet hinnehmen.
Damit bleiben die Akten der Staatsanwaltschaft vorerst unter Verschluss. Blick liegen die Strafbefehle jedoch vor. Sie geben Einblick in das Innere der Gruppierung.
Die Taten
Es geht um strafbare Handlungen, die Angehörige der Jungen Tat zwischen Februar 2022 und April 2024 begangen haben sollen: Rassendiskriminierung, Nötigung, Sachbeschädigung, Abhören und Aufnehmen fremder Gespräche, Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit, Landfriedensbruch, Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz, Hinderung einer Amtshandlung und illegale Vermummung.
Die Junge Tat tarnt sich gern als harmlose, patriotische Jugendbewegung und versichert, dass sich ihre Aktionen im rechtsstaatlichen Rahmen bewegen. Der lange Katalog an Straftaten, die der Gruppe vorgeworfen werden, spricht eine andere Sprache.
Und: Mehrere Exponenten der Jungen Tat sind bereits vorbestraft, etwa wegen Judenhass. Bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmte die Polizei Waffen. Die Anführer der Gruppierung distanzieren sich von diesen Taten – das seien «Jugendsünden» gewesen.
Nun müssen sich die Rechtsextremen erneut vor der Justiz verantworten. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sind zahlreich:
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Im Februar 2022 beteiligten sich Exponenten der Jungen Tat in Zürich anlässlich einer Corona-Demo an gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Linksradikalen.
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Am 1. Mai 2022 kletterten die Rechtsextremen in Zürich auf einen umzäunten Baukran und hissten ein Transparent mit der Aufschrift: «Denkst du global, dienst du dem Kapital! Sichere Grenzen sichere Zukunft». Laut Staatsanwaltschaft war dies ein Fall von Hausfriedensbruch.
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Im Juni 2022 stürmten vermummte Anhänger der Jungen Tat einen Gottesdienst des Pride-Festivals in Zürich. Laut Staatsanwaltschaft verursachten sie Schäden von knapp 9000 Franken und riefen zur Diskriminierung nicht heterosexueller Personen auf.
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Im Oktober 2022 störte die Gruppierung eine Vorlesestunde von Dragqueens für Kinder im Zürcher Tanzhaus und entrollte ein Transparent mit der Aufschrift «Familie statt Genderideologie». Mit weissen Schlauchschals vermummt zündeten die Rechtsextremen Rauchpetarden und skandierten homophobe Parolen. Gemäss Strafbefehl lösten sie bei den Besuchern der Vorlesestunde «grosse Angst aus». Die Staatsanwaltschaft wörtlich: «Die Beschuldigten nahmen billigend in Kauf, die Teilnehmenden einzuschüchtern.»
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Im November 2022 stiegen Mitglieder der Jungen Tat in Basel auf das Bahnhofsgebäude, zündeten bewilligungspflichtige Fackeln und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift: «Kriminelle abschieben».
Die Täter
Die Strafbefehle richten sich gegen fünf Männer und eine Frau zwischen 20 und 34 Jahren aus den Kantonen St. Gallen, Zürich, Bern, Basel-Stadt und Thurgau.
Bei der Frau, der unter anderem Hausfriedensbruch, Rassendiskriminierung und Nötigung vorgeworfen wird, handelt es sich um die ehemalige Klima- und Juso-Aktivistin Selina D.* (22). Früher sang sie an Klimademos das antifaschistische Lied «Bella ciao», heute marschiert sie mit der Jungen Tat.
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Der älteste Beschuldigte (34) stammt aus Deutschland und kandidierte kürzlich erfolglos für die AfD als Gemeinderat. Dass ein Deutscher unter den mutmasslichen Tätern ist, überrascht nicht. Die Junge Tat ist eng vernetzt mit Rechtsextremen im Ausland. Erst vor zwei Wochen lud die Gruppe Martin Sellner (35), den Wortführer der Identitären Bewegung Österreich, zu einem Vortrag in die Schweiz ein. Polizisten fingen ihn jedoch an der Grenze ab – der Bund hatte den Rechtsextremisten mit einem Einreiseverbot belegt.
Die höchste Busse ist für A. C.* (21) vorgesehen, einen Thurgauer mit serbischen Wurzeln. Der christliche Nationalist soll eine bedingte Geldstrafe von 18’000 Franken zahlen, dazu kommen eine Busse und Prozesskosten in der Höhe von mehreren Tausend Franken.
Die Anführer
Keine Strafbefehle hat die Staatsanwaltschaft gegen die Gründer und Anführer der Jungen Tat erlassen: Manuel C.* (24) und Tobias L.* (22) – beide vorbestraft – waren zwar massgeblich an den Aktionen beteiligt, die Ermittlungen gegen sie dauern aber an. Was daran liegt, dass den beiden weitere Straftaten vorgeworfen werden. Sie waren etwa auch dabei, als deutsche Rechtsextreme im Februar 2023 in Bayern eine Flüchtlingsunterkunft belagerten und später verhaftet wurden. C. und L. drohen noch höhere Strafen als den übrigen Mitgliedern der Jungen Tat.
Sicher ist: Die Junge Tat wird die Justiz weiterhin beschäftigen. 2025 kommt es erstmals zu einem Gerichtsprozess gegen die Gruppe, die sich gegenüber Blick siegessicher gibt: «Wenn in der Schweiz die Meinungsfreiheit noch besteht, werden die Anschuldigungen nicht zu einer Verurteilung führen.» Der Staat wolle die Junge Tat bloss kriminalisieren.
Über ihre Website sammeln die Rechtsextremen bereits Spenden für den Prozess. Bis zu dessen Abschluss gilt die Unschuldsvermutung.
* Namen bekannt
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