Peter Fischer (64) lebt als Schwuler mit Behinderung
«Man wird von allen Seiten diskriminiert»

Intersektionelle Diskriminierung heisst: Leben in der Minderheit der Minderheit. Als Homosexueller mit Behinderung steht Peter Fischer (64) vor anderen Problemen als viele seiner Mitmenschen.
Publiziert: 09.06.2018 um 14:20 Uhr
|
Aktualisiert: 18.10.2018 um 13:42 Uhr
Marsel Szopinski

Peter Fischer (64) strahlt, als am Mittag sein Lebensgefährte Jörg Luchsinger (41) an der Haustüre klingelt. Langsam und bedächtig bewegt er sich durch die Zimmer der Altbauwohnung im Zürcher Kreis 4, um die Tür zu öffnen.

Luchsinger begleitet ihn in sein Bürozimmer. Der 64-Jährige versinkt hinterm Pult in seinem Rollstuhl, während der 23 Jahre jüngere Coiffeur liebevoll durch die silbernen Haare seines Partners streicht.

Der Altersunterschied ist offensichtlich. Doch die tiefe Liebe verbindet. Vor 20 Jahren kennengelernt. Kurz danach die Schock-Diagnose: Multiple Sklerose beim sonst kerngesunden Peter Fischer. Eine Diagnose, an der viele Beziehungen zerbrechen: «Ich schätze es sehr, dass Jörg bei mir geblieben ist», so Fischer. 

1/7
Peter Fischer (64) lebt als Homosexueller mit Behinderung in einer doppelter Minderheit.
Foto: Marsel Szopinski

Für Luchsinger war aber immer klar: «Es kam nie in Frage, dass ich die Beziehung wegen der Krankheit beende. Es stellte sich für mich nur die Frage, wie ich Peter helfen kann.» Die Krankheit greift vor allem dessen Nervensystem an, weshalb er auf seinen Rollstuhl angewiesen ist. «Ich darf nicht mehr als 40 Meter laufen», so Fischer.

Die Minderheit in der Minderheit 

Nicht alle zeigen sich so offen wie Fischers Partner. Immer wieder erfährt er Ablehnung mit seinem Leben in einer doppelten Minderheit. «Man wird von allen Seiten diskriminiert. Und das von Menschen, die selber auf Akzeptanz angewiesen sind.» Zum einen: Andere Homosexuelle würden ihn wegen seiner Behinderung nicht als Teil ihrer Gemeinschaft sehen. Zum anderen: Auch bei Menschen mit Behinderungen trifft er nicht immer auf Akzeptanz. «Ich bin aber nicht schwul!», heisse es oftmals, wenn Fischer seine Sexualität anspricht.

Den Grund dafür sieht er in der Erziehung und Betreuung dieser Personen: «Behinderte werden zum Teil nicht richtig sexuell aufgeklärt. Bei vielen wird die Sexualität gar unterdrückt – vor allem bei geistigen Behinderungen.»

Intersektionalität – ein weitläufiges Problem 

Doch das Problem von doppelten Minderheiten ist weitläufiger. Die sogenannte intersektionelle Diskriminierung widerfährt Personen aufgrund einer Kombination von Hautfarbe, Herkunft oder gar Körperform.

Zum Beispiel: «Eine schwarze, lesbische Frau hat es in der Gesellschaft deutlich schwerer als eine weisse», erklärt Fischer. Sie werde nicht nur wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer Sexualität diskriminiert, sondern auch wegen dem gleichzeitigen Auftreten beider Merkmale. Und das ebenfalls von Vertretern beider Minderheiten.

«Keine Schwarzen, keine Asiaten»

So schreiben einige Schwule auf Datingportalen beispielsweise unter ihre Profile: «keine Schwarzen, keine Asiaten». Dazu findet Fischer nur eins: «Unverständlich!». Vor allem bei einer sonst toleranten Schwulen-Gemeinschaft, die selbst Toleranz verlangt.

Seit seiner Jugend als Homosexueller hat sich viel geändert. «Dennoch sind die Denkweisen vieler Menschen gleich wie vor 40 Jahren – auch bei Homosexuellen», findet Fischer. Deshalb ist es für ihn umso wichtiger, ein Zeichen zu setzen und auch dieses Jahr wieder beim Zurich Pride Festival auf seinem Rollstuhl mitzufahren.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?