Palliativmediziner klärt auf
Das sagen Menschen, kurz bevor sie sterben

Was sagt man, kurz bevor man endgültig geht? Ein Palliativmediziner klärt auf über die letzten Worte von Sterbenden.
Publiziert: 05.12.2023 um 17:58 Uhr
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Aktualisiert: 05.12.2023 um 22:34 Uhr
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Am Lebensende beschäftigt viele: Was hinterlasse ich? Was möchte ich den Kindern zuletzt mitgeben?
Foto: Getty Images
Rebecca Wyss

Letzte Worte wiegen schwer. Sie sind unser Erbe. Sollen wiedergeben, wer wir waren und den Liebsten Trost spenden. Sie sollen etwas hermachen. Ganz schön viel Druck ist das – so stellt man sich das jedenfalls vor. Doch wie ist es tatsächlich, wenn das letzte Stündlein schlägt? Spricht man mit dem Palliativmediziner Hagen Scheerle, stellt sich heraus: Gar nicht so romantisch.

Heute ist er Hausarzt in Möhlin AG, zuvor hat er in einem Pflegeheim über Jahre Menschen medizinisch bis zum Schluss begleitet. Scheerle sagt: «Viele sagen unmittelbar vor dem Tod nicht mehr viel.» Manche rufen Angehörige zusammen und sprechen hinter verschlossenen Türen schwierige Dinge an. Doch in der letzten Stunde schweigen sie ganz oft. 

Artikulierte Gedanken am Sterbebett sind rar geworden. Das hat mit dem Fortschritt in der Medizin zu tun. Neun von zehn Menschen sterben heute im Krankenhaus, häufig angeschlossen an Maschinen. Der Tod wurde als Thema aus der Gesellschaft verdrängt. Mit Folgen, so Scheerle: «Viele Menschen haben Angst vor dem Sterben und den damit verbundenen Schmerzen.» Sie wünschen sich Medikamente, die ihnen dies nehmen. Und sie sedieren. Sie gehen stumm aus dieser Welt. Andere durchleben einen längeren, manchmal Tage dauernden Sterbeprozess, so der Arzt. Rund um die Uhr umgeben von der Familie. Sobald sie einmal allein im Zimmer seien, gingen sie. Still und heimlich. Darauf haben sie gewartet.

Kultur der letzten Worte

Und doch gibt es Menschen, denen viel an den letzten Worten liegt. In Japan haben sie daraus eine Kunstform gemacht: die Todesgedichte – japanisch: Jisei. Diese waren lange die einzige Möglichkeit, ohne Gesichtsverlust zu zeigen, wer man wirklich ist. Samurai-Krieger, Adlige, Bildungsbürger, Mönche oder Kamikaze-Flieger während des Zweiten Weltkriegs griffen und greifen darauf zurück. Berühmt ist jenes des legendären Schriftstellers Yukio Mishima (1925-1970). Er stürmte 1970 das Militärhauptquartier in Tokio, der Coup d’Etat scheiterte und Mishima nahm sich durch «Harakiri» das Leben. Zarter als sein Abgang ist sein Jisei: «Ein kleiner Nachtsturm weht / Sagen: ‹Fallen ist die Essenz einer Blume› / Denen vorangehen, die zögern.»

Mit Berühmtheiten ist es so eine Sache. An ihr Schlusswort klammert sich die Nachwelt besonders. Auch wenn einiges zu geschliffen klingt, um wahr zu sein. Jene, die gesichert sind, zeigen: Allerletzte Worte sind oft überraschend banal. Und tragisch. Der US-Schauspieler James Dean (1931–1955) sass in seinem Porsche Spyder, als ihm ein Ford-Wagen entgegenkam und er rief: «Der muss anhalten. Er wird uns sehen.» Das berichtete der Mechaniker, der den Unfall als Beifahrer schwer verletzt überlebte. Die Königin von Frankreich, Marie Antoinette (1755–1793), soll auf dem Weg zur Guillotine ihrem Henker versehentlich auf den Fuss getreten sein und gesagt haben: «Verzeihen Sie, Monsieur, ich habe es nicht absichtlich getan.» Und dann gibt es aber auch jene, die den hohen Erwartungen an sie gerecht werden. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. (1927–2022) hauchte auf dem Sterbebett mit dünner Stimme: «Herr, ich liebe dich.»

Heute stehen die Chancen gut, dass von uns Normalos eine Whatsapp-Nachricht übrigbleibt. Man haut ja ständig welche raus, in der Hoffnung, vom anderen ein Lebenszeichen zu bekommen, auch wenn es nicht immer so klingt: «5’ zu spät, sorry!», «Wie geil!», «Hahaahahah!» Vielleicht ist das nur fair. Vielleicht bringt das unser Leben heute genau auf den Punkt. 

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