Es gibt Paare, die streiten über die Wohnungseinrichtung. Wie man die Geschirrspülmaschine richtig einräumt. Wie viel Salz im Essen zu viel ist. Welche Netflix-Serie sie schauen wollen. Warum das Kind schon wieder seinen Schirm verloren hat. Sie fetzen sich. Ständig. Überall. Und es gibt Paare, die streiten nie. Die sagen: Weil wir uns so lieb haben. Ist das besser?
Eine Antwort darauf gibt Guy Bodenmann, Psychologie-Professor der Universität Zürich, in seinem neuen Ratgeberbuch «Streitet euch!». Er beschreibt anschaulich verschiedene Streitmuster und wie sich diese auf das Paar und die Familie auswirken. Er sagt: «Paare, die Konflikte vermeiden, riskieren, auf Dauer unzufrieden zu werden.»
Schweigen ist schädlich
Sind zwei Menschen zusammen, stimmen oft die Bedürfnisse nicht überein, Reibungsflächen entstehen. Steht eine Person immer zurück und unterdrückt ihre negativen Gefühle, hat das Folgen. Bei Paarberater Bodenmann melden sich häufiger Paare, die in Pensionierung kommen und in einer Krise stecken – obwohl es all die Jahre selten ein scharfes Wort gab. Und das ist der Punkt, sagt er: «Meist sind es die Frauen, bei denen sich Frustration angestaut hat.» Doch sei dies keine Frage des Alters. Aus Angst, den anderen zu verärgern, die andere zu verlieren, schweigen auch viele Jüngere. Sein Rat: «Teilen Sie frühzeitig mit, wenn Sie etwas stört.»
Wichtig dabei ist das Wie, die Art, wie man etwas anspricht. Falsches Streiten kann der Beziehung schaden. Inwiefern, das hat Bodenmann anhand verschiedener destruktiver Konfliktstile herausgearbeitet. Der Prototyp von Zoff ist bekannt: Zwei schreien sich an, es folgt ein wüster Wortwechsel, Vorwürfe, Anfeindungen, die beiden fallen sich gegenseitig ins Wort, hören einander nicht zu, wollen dominieren oder sich herausreden – und werten einander auch schon mal ab. So viel zum lauten Streitgespräch. Es gibt auch jenen Konfliktstil, der mit leisen Pantoffeln daherkommt. Das klingt so:
Sie: «Was ist mit dir los?»
Er: «Nichts, was sollte los sein?»
Sie: «Ich merke doch, dass etwas nicht stimmt.»
Er: «Aber es ist nichts!»
Dem Konflikt aus dem Weg gehen oder mauern, schmollen, grollen, sich zurückziehen und so eine eisige Atmosphäre schaffen – all das ist subtiler, aber nicht weniger tückisch als das laute Poltern. Beides zersetzt auf Dauer die Partnerschaft. Doch nicht nur das.
Chronischer Zoff und leidende Kinder
Bodenmann beleuchtet auch die Auswirkungen innerhalb der Familie. Er sagt: «Kinder sind wie Seismografen.» Sie nehmen Stimmungen schnell wahr und schwingen mit. Die Forschung zeigt: je destruktiver und häufiger der Elternkonflikt, desto verheerender die Folgen für die Kinder. Angststörungen, Depressionen, Essstörungen, Aggression oder ADHS – das Risiko dafür steigt.
Laut Bodenmann ist es grundsätzlich kein Problem, wenn die Eltern vor den Kindern diskutieren, auch mal laut werden und nicht immer den richtigen Ton treffen. Wichtig sei: Sie sollten zu einer stimmigen Lösung kommen. Er rät zudem: «Erklären Sie sich danach dem Kind.» Man kann ihm sagen, dass Mama und Papa sich gestritten haben, dass das nichts Schlimmes sei, man sich gerne habe, und das Kind sich keine Sorgen machen müsse. Kinder lernen so, dass Konflikte normal sind.
Überlegen Sie, was Ihr Bedürfnis ist und was nicht. Manche Menschen haben einen schlechten Zugang dazu, was sie möchten.
Wagen Sie, Nein zu sagen oder zu widersprechen. Wenn der Partner oder die Partnerin ins Kino möchte, Sie aber nicht, sagen Sie das. Sind Sie anderer Meinung als Ihr Gegenüber, legen Sie diese dar.
Kritisieren Sie konkret. Die Wörter «immer» und «nie» sollten Sie so gut wie möglich aus Ihrem Wortschatz streichen. Stört Sie, dass Ihre Partnerin gestern den Müll nicht weggebracht hat, obwohl es abgemacht war: Sagen Sie genau das.
Sprechen Sie über Ihre Empfindung. Teilen Sie mit, wie Sie sich in einer Situation fühlen und warum Sie diese oder das Verhalten von ihr oder ihm stört. Dann stossen Sie eher auf offene Ohren bei Ihrem Gegenüber.
Überlegen Sie, was Ihr Bedürfnis ist und was nicht. Manche Menschen haben einen schlechten Zugang dazu, was sie möchten.
Wagen Sie, Nein zu sagen oder zu widersprechen. Wenn der Partner oder die Partnerin ins Kino möchte, Sie aber nicht, sagen Sie das. Sind Sie anderer Meinung als Ihr Gegenüber, legen Sie diese dar.
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«Streitet euch!» – Wie Konflikte Paare und ihre Kinder stärken, Guy Bodenmann, Patmos-Verlag, ab 29.90 Franken.
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