«Behörden behandeln mich wie Dreck»
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Georg muss Schweiz verlassen:«Behörden behandeln mich wie Dreck»

Österreicher Georg Andesner (63) war 53 Jahre in der Schweiz
Er suchte Hilfe und bekam einen Landesverweis

Der Österreicher Georg Andesner hat fast sein gesamtes Leben in der Schweiz verbracht. Nach einiger Zeit im Ausland kehrte er zurück und hatte Mühe, eine Stelle zu finden. Die «Hilfe» vom Kanton Thurgau: ein Landesverweis.
Publiziert: 14.11.2022 um 12:08 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2022 um 13:53 Uhr
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Georg Andesner ist österreichischer Staatsbürger, wuchs aber in der Schweiz auf.
Foto: Zamir Loshi
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Sandro ZulianReporter News

Georg Andesner (63) hat Tränen in den Augen. «Ich finde es nicht richtig, wenn man so mit Menschen umgeht», sagt er zu Blick. Fast sein ganzes Leben verbrachte der gebürtige Österreicher in der Schweiz – trotzdem will ihn der Kanton Thurgau ausschaffen. Seit Jahren kämpft er immer wieder gegen das Migrationsamt.

Andesner wuchs im Kanton Zürich auf, arbeitete dort, zahlte Steuern und leistete Beiträge an die AHV. Er hielt es allerdings nie für nötig, den Schweizer Pass zu beantragen. «Es fühlte sich so normal an, dass ich nicht mal auf die Idee kam», sagt er. Ein Fehler, wie sich nun zeigt.

Die Liebe trieb ihn über die Grenze

Aus Liebe zieht der Vogelzüchter in den 2010er-Jahren nach Deutschland. Die Beziehung zerbricht nach knapp zehn Jahren – Andesner zügelt 2019 zurück in die alte Heimat. Im Kanton Thurgau findet er eine Bleibe. Doch die Jobsuche erweist sich als schwierig, speziell für einen über 60-jährigen Mann.

Weil er die Schweiz für mehr als sechs Monate verlassen hatte, stufte der Kanton bei der Einreise seinen früheren C-Ausweis (Niederlassungsbewilligung) auf B (Aufenthaltsbewilligung) zurück. Andesner hätte damals bei der Ausreise den C-Ausweis trotz Auslandsaufenthalt für bis zu vier Jahre verlängern können, nur tat er es damals nicht.

200 Bewerbungen, dann die Ausweisung

Da er 2019 kurz vor der frühzeitigen Pensionierung stand und dem Staat nicht auf der Tasche liegen wollte, suchte er dringend nach irgendeiner Arbeit. Nach über 200 Bewerbungen wandte er sich händeringend an den Kanton Thurgau, fragte nach Hilfe bei der Jobsuche – und wurde prompt zum ersten Mal des Landes verwiesen.

«Aus den Akten geht hervor, dass Georg Andesner selbst nicht über genügend finanzielle Mittel verfügt, um den Lebensunterhalt selbständig finanzieren zu können», schrieb das Migrationsamt damals. Mithilfe einer Anwältin gewinnt Andesner diesen ersten Ausschaffungskampf vorerst aussergerichtlich.

Der erneute Landesverweis folgt auf dem Fuss

Nach diesem Schock gehts kurzzeitig bergauf: Der Österreicher bekommt einen Job in einem Reinigungs- und Transportunternehmen in Winterthur ZH. «Ich hatte eine schöne Arbeit, die zu mir passte und die mich froh machte.» Doch kurz darauf folgt die weltweite Corona-Pandemie. Andesners Firma überlebt nicht, er verliert seinen Job – und die Probleme fangen von vorne an.

Im Frühjahr 2022 geht Andesner in Frühpension. Mit seiner Rente von 1380 Franken kann er aber nicht überleben. Darum beantragt er Ergänzungsleistungen – und bekommt Post vom Migrationsamt. Im «rechtlichen Gehör» des Kantons hält die Behörde fest, Andesner habe zwar den grössten Teil seines Lebens in der Schweiz verbracht, aber: «Da Georg Andesner zuletzt über einige Jahre hinweg freiwillig in Deutschland wohnhaft war, erweist sich die beabsichtigte Wegweisung als verhältnismässig.»

Stellungnahme soll Migrationsamt überzeugen

«Meine Familie und meine Freunde wohnen hier, ich will hier nicht weg!», sagt Andesner enttäuscht. Zusammen mit seiner Anwältin hat er eine schriftliche Stellungnahme für seinen Verbleib in der Schweiz eingereicht.

Im sechsseitigen Schreiben wird festgehalten, dass Andesner 53 seiner 63 Lebensjahre in der Schweiz verbracht hat. Zudem hat seine jetzige Lebenspartnerin ihr Arbeitspensum erhöht, so dass er nicht in eine finanzielle Notlage gerät. Die Antwort des Migrationsamts erwartet der Österreicher nun mit Bauchschmerzen. Wortwörtlich, denn seit die Probleme begonnen haben, plagen Andesner Magenkrämpfe, für eine Untersuchung fehlt ihm das Geld.

Auch die juristische Hilfe wird er sich wohl bald nicht mehr leisten können: «Ich lebe weit unter dem Existenzminimum und wünschte mir, es gäbe eine Anlaufstelle für Einzelfälle wie mich.» Das Migrationsamt Thurgau möchte sich auf Anfrage von Blick nicht zum Fall äussern.

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