Auf einen Blick
- Rosmarie Halter stürzt auf der Piste und bricht sich das Schlüsselbein
- Die Versicherung glaubt Halter nicht und lehnt Haftung ab
- Halter vermutet mangelhaft präparierte Piste als Unfallursache
- 73-jährige Skifahrerin muss 2500 Franken selbst bezahlen
- Beweise fehlen: Unfallstelle nicht fotografiert, keine Zeugen
Rosmarie Halter (73) ist ein Ski-Ass. Die Rentnerin aus Werdenberg SG fährt seit über 50 Jahren Ski und Tourenski und ist Mitglied in einem Skiverein. Auf den Pisten macht ihr so schnell niemand etwas vor.
Das Skigebiet der Bergbahnen Wildhaus im Toggenburg kennt sie «wie ihren Hosensack». Am 25. Januar 2023 war sie dort unterwegs. Es war ein mittelmässiger Skitag. Die Beschneiungsanlagen liefen. Dieser Tag wird Halter aber noch lange in Erinnerung bleiben – denn er sorgte für einen Streit, der jetzt schon fast zwei Jahre dauert und Halter einen Haufen Geld gekostet hat.
«Ich fuhr auf der Piste einmal links an einer Beschneiungslanze vorbei. Da hatte ich Sprühregen im Gesicht. Das war unangenehm», sagt die Ostschweizerin. Beim nächsten Mal probierte sie einen anderen Weg aus und fuhr auf der anderen Seite der Lanze vorbei. Da passierte es plötzlich.
Plötzlich flog Halter davon
«Meine Ski blieben wie angewurzelt stehen – und ich flog vornüber weg», sagt Halter. Hart prallt sie auf der Piste auf. Warum sie plötzlich derart gebremst wurde, kann sie auch heute noch nicht sagen. Sie vermutet, dass etwas an der Piste nicht stimmte. Ihre Ski liefen plötzlich nicht mehr auf dem Untergrund.
Kurz nach ihrem Unfall beobachtete sie den Sturz eines anderen Skifahrers – an der gleichen Stelle. Den eingetroffenen Mitarbeitern der Bergbahnen erklärt sie, dass es gefährlich, nicht normal befahrbar sei und abgesperrt gehörte. «Das sahen sie auch so und steckten den Bereich mit schwarz-gelben Pfosten ab.» Ausserdem wurde die Beschneiung abgestellt. Im Spital folgt die Diagnose: Schlüsselbeinbruch – eine äusserst schmerzhafte Verletzung.
Ein paar Wochen später meldete sie sich bei den Bergbahnen per E-Mail und bedankte sich für die professionelle Rettung. Sie macht sich aber auch Sorgen um die Kosten. Am Telefon wird ihr versichert, sie müsse sich keine Gedanken machen: «Dafür haben wir die Versicherung», hiess es.
Versicherung glaubt Halter nicht
Doch die böse Überraschung folgt auf dem Fuss. Da Halter pensioniert ist, ist sie bei der Krankenkasse unfallversichert. Diese Krankenkasse will die Bergbahnen in die Pflicht nehmen und macht einen Haftpflichtfall geltend. Doch die Haftpflichtversicherung des Skigebiets erteilt Halter eine Abfuhr.
Im E-Mail-Verkehr, der Blick vorliegt, schreibt die Haftpflichtversicherung: «Als Sie links an der Schneelanze vorbeigefahren sind, haben Sie bemerkt, dass Sie der technisch produzierte Schnee ausbremst.» Halter sei «zu nahe» an der Schneelanze vorbeigefahren.» Die Beschneiung sei ausreichend beschildert gewesen.
Das macht Halter wütend: «Ich hatte genügend Abstand zur Lanze. Als ich ein erstes Mal daran vorbeifuhr, bremste es nicht. Mich störte einfach der Sprühregen im Gesicht.» Schneefrei sei die Stelle nicht gewesen. «Das hätte ich gesehen.»
Keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
Der Streit zwischen Halter und der Haftpflichtversicherung der Bergbahnen dauert jetzt bald zwei Jahre. Die Versicherung habe Halters Einwände einfach ausgeblendet: «Kurz nach dem Unfall wurde auf meine Warnung hin alles abgesperrt. Das liegt daran, dass die Verantwortlichen diesen Ort als nicht sicher eingestuft haben. Ausserdem stürzte nach mir gleich noch jemand!»
Dazu sagt die Versicherung: «Wenn der Patrouilleur nach Ihrem Skiunfall eine Sicherung mit schwarz-gelben Stangen vornahm, dann um die Umfahrung zu signalisieren. Dies kann er nach seinem Gutdünken machen, obwohl keine Pflicht besteht.» Von einer zweiten gestürzten Person wisse man nichts.
Seit fast zwei Jahren am Kämpfen
Im Juni dieses Jahres erhielt Halter eine «abschliessende Stellungnahme» der Versicherung. Sie entschied sich, Blick zu informieren.
Zu Blick sagt die Haftpflichtversicherung der Bergbahnen: «Uns ist nicht bekannt, dass Angestellte unserer Versicherungsnehmerin Fehler eingestanden oder gar eine Haftung anerkannt hätten.» Die Bergbahnen hätten ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. «Dies haben wir Frau Halter wiederholt mitgeteilt.»
Zudem würden amtliche Akten und Zeugenaussagen, die Klarheit in die Haftungsfrage hätten bringen können, fehlen, so die Versicherung.
Verunfallte Wintersportler, die der Auffassung sind, das Skigebiet habe einen Fehler gemacht, müssen in einem solchen Fall selber dafür sorgen, dass sie ihr Recht bekommen. Sie müssen beweisen, dass sie nicht selbst schuld waren.
Halter sagt: «Ich hätte unter starken Schmerzen Unfallfotos machen müssen. Und dazu Zeugen ins Boot holen und deren Personalien aufnehmen müssen.» Dass sie das nicht gemacht hat, kostet sie jetzt knapp 2400 Franken. Denn Halter hat bei ihrer Krankenkasse eine hohe Franchise gewählt.
Bettina Umhang, Fachanwältin für Haftpflichtrecht bei Advo 5 Rechtsanwälte in Zürich, sagt: «Personen, die bei Skiunfällen geschädigt wurden und Schadenersatz fordern möchten, müssen beweisen, dass eine Sorgfaltspflichtverletzung der Bergbahnen vorliegt. Ohne Beweise ist man chancenlos.»