Auf einen Blick
- Die Sanitas lehnt Beni Germann wegen eines zu hohen BMI für eine Zusatzversicherung ab
- Der Berner Bodybuilder wiegt 90 kg bei 1,65 m Grösse und hat damit einen Übergewichts-BMI
- Alle grossen Versicherer fragen potenzielle Kunden nach dem BMI
Dass Fitness zu einem gesunden Lebensstil gehört, ist unbestritten. Doch offenbar kann man auch zu fit sein, wie Beni Germann (31) aus Adelboden BE erfahren musste. Er hat bei der Sanitas eine Zusatzversicherung beantragt. Ein Basismodell, das nicht einmal 15 Franken im Monat kostet und zum Beispiel Alternativmedizin abdeckt. Doch die Versicherung hat den Bodybuilder abgelehnt, weil sein Body-Mass-Index (BMI) zu hoch ist. Dazu sagt Germann: «Ich werde auf eine Zahl reduziert, die absolut nichts über meine Gesundheit aussagt.»
90 Kilogramm bei einer Grösse von 1,65 Metern – das ergibt einen BMI von 33,1. Ab 30 gilt ein Mann als stark übergewichtig. Doch wer vor Germann steht, findet keine Spur von übermässigem Fett: «Mit 15 Prozent Körperfettanteil bin ich mitten im empfohlenen Bereich meiner Altersklasse.» Dafür trainiert er fünfmal die Woche rund zwei Stunden und isst täglich etwa 3000 Kalorien. «Als Natural Bodybuilder nehme ich keine Mittel wie Anabolika, greife aber zu Nahrungsergänzungsmitteln wie Protein.» Germanns überdurchschnittlich hohes Gewicht liegt zum guten Teil in seinen Muskeln, die bekanntermassen schwerer als Fett sind. «Aber das ist der Sanitas egal.»
BMI zwölf Jahre kein Problem
In den zwölf Jahren, seitdem Germann Bodybuilding betreibt, hatte er noch nie Probleme mit der Versicherung. «Ich musste ab und zu erklären, dass ich Kraftsport betreibe, aber das hat immer gereicht.»
Auch bei der Sanitas war er vor einigen Jahren schon mal versichert. «Damals war mein BMI kein Thema.» Doch sein Online-Antrag fürs kommende Jahr wurde per Brief abgelehnt: Weil bei Germann ein «erhöhtes Versicherungsrisiko» festgestellt wurde, bekommt er keine Zusatzversicherung, so die Begründung. «Ich wusste sofort, dass es um meinen BMI gehen muss, weil ich all die anderen Gesundheitsfragen – Rauchen, Trinken, Medikamente und auffällige Krankenvorgeschichten – mit Nein beantworten kann. Eine Sanitas-Mitarbeiterin hat mir die Vermutung am Telefon bestätigt.»
Sanitas: gleiche Ausgangslage, gleiche Bewertung
Auf Anfrage von Blick geht die Sanitas nicht auf die Frage ein, ob Germann wegen seines BMI abgelehnt wurde, will aber nichts von einer Diskriminierung von Kraftsportlern wissen. «Anträge mit derselben Ausgangslage werden immer gleich bewertet», wobei man sich «stets am aktuellsten Stand der Wissenschaft» orientiere. Zudem weist die Sanitas auf ihr neues Angebot von «individuellen Prämienzusätzen» hin. Im Klartext: Abgelehnte Personen wie Germann könnten sich trotz erhöhtem Risikofaktor zusatzversichern, müssen dafür aber mehr zahlen.
Keine Option für Germann: «Ich mache mir keine Sorgen, eine andere Zusatzversicherung zu finden.» Er sei bereits im Gespräch mit einem anderen Versicherer und habe diesen direkt auf die BMI-Problematik angesprochen. «Dort hat man darüber gelacht und gesagt, ich soll dem Antrag einfach ein Foto beifügen.» Das habe er auch der Sanitas angeboten. «Aber das hat niemanden interessiert.» Für ihn gehe es ums Prinzip, so Germann. «Wie kann man in Gesundheitsfragen heute noch den BMI anschauen? Und das gerade in der Schweiz, wo wohl die wenigsten Nationalsportler, etwa Schwinger, einen ‹gesunden› BMI haben dürften?»
Jahrzehntelang galt der BMI bei der Frage «Wann ist ein Mensch zu dick?» als das Mass aller Dinge. In den vergangenen Jahren kritisierten aber immer mehr Experten den BMI für seine begrenzte Aussagekraft. So kann der BMI für Kinder und Senioren nicht angewendet werden und stösst auch bei Sportlern an seine Grenzen. Während Ausdauersportler meist in die Untergewichts-Kategorie fallen, haben viele Kraftsportler wie Germann einen Adipositas-BMI.
BMI bei allen Versicherungen ein Faktor
Tatsächlich fragen alle grossen Krankenversicherungen in ihren Anträgen nach Grösse und Gewicht und bestätigen auf Anfrage, dass der BMI bei der Risikoeinschätzung ein Faktor ist. Wo eine allfällige Grenze liegt, will allerdings kein Versicherer sagen.
Atupri aber schreibt: «Wir sind uns bewusst, dass der BMI nicht alle Aspekte der Gesundheit abdeckt.» Weswegen er nur für eine erste grobe Einschätzung genutzt werde. «Im Fall einer auffälligen BMI-Bewertung bieten wir unseren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, zusätzliche medizinische Informationen einzureichen, um die Bewertung zu ergänzen.»
Laut Helsana wird der BMI trotz seiner anerkannten Grenzen noch immer als Faktor verwendet, weil er einfach und ohne grosse Fehlerquote zu berechnen ist: «Alternative Methoden sind in der korrekten Umsetzung anspruchsvoller, was die Wahrscheinlichkeit von Ungenauigkeiten erhöhen kann.»