Auf einen Blick
- Beni Germann wurde Zusatzversicherung wegen hohem BMI verweigert – obwohl er nicht dick ist
- Versicherer können Zusatzversicherungen ohne Angabe von Gründen ablehnen
- Doch es gibt Wege, wie sich Kunden wehren können
Beni Germann (31) aus Adelboden BE ist unzufrieden. Er wollte bei der Sanitas eine Zusatzversicherung abschliessen, die beispielsweise Alternativmedizin mit einschliesst. 15 Franken hätte ihn das zusätzlich im Monat gekostet.
Doch die Krankenkasse lehnte den Bodybuilder ab. Grund: Sein BMI von 33.1 macht ihn «stark übergewichtig». Germanns Gewicht liegt aber an seinen Muskeln, nicht am Fett. Das macht nur 15 Prozent aus. «Aber das ist der Sanitas egal», sagt er gegenüber Blick.
Und egal sein darf es den Versicherungen auch weiterhin, so die ernüchternde Antwort, wenn Blick bei einem Versicherungsexperten nachfragt.
«Es ist unbefriedigend»
«Im Bereich Zusatzversicherungen sind Versicherer komplett frei. Sie entscheiden nach eigenen Kriterien, ob sie jemanden versichern oder nicht», sagt Heinz Locher (81). Der Berner Gesundheitsökonom beäugt die aktuelle Gesetzgebung bei den Zusatzversicherungen, das «Versicherungsvertragsgesetz» (VVG), als nicht besonders fair. Leidtragende sind die Versicherten oder die Versicherungswilligen. «Es ist unbefriedigend», sagt der Versicherungsexperte.
Dass die Sanitas im Fall von Bodybuilder Germann willkürlich oder gar diskriminierend vorging, will Locher nicht bewerten. Im Versicherungsvertragsgesetz seien aber auch in diese Richtung scheinbar kaum Grenzen gesetzt. «Aus meiner Sicht ist das Gesetz ganz klar versichererfreundlich und nicht konsumentenfreundlich», sagt Locher.
Locher wünscht sich eine Transparenzpflicht
Falls Versicherungen gewisse Kriterien hätten, die gegen eine Aufnahme sprechen, so müssen sie diese nicht einmal offenlegen: «Das ist der freie Markt.» Heisst: Eine Zusatzversicherung kann ohne Nennung von Gründen verweigert werden. «Kunden sind den Versicherungen hilflos ausgeliefert», sagt Locher. Auf politischer Ebene wünscht er sich darum wenigstens eine Transparenzpflicht.
«In Anbetracht der Bedeutung, die eine solche Zusatzversicherung für Menschen haben kann, wäre das das Mindeste», sagt Locher. So sind zum Beispiel Zahnzusatzversicherungen, insbesondere für Kinder, heute kaum mehr wegzudenken und für zur Vermeidung von immensen Kosten unabdingbar.
Zusatzversicherungen wie diejenigen für Brillen oder Kontaktlinsen, Zusatzversicherungen für Psychotherapie durch Psychologen, Nichtpflichtmedikamente oder Behandlungen im Ausland sind kein Luxus, sondern je nach Patient oder Patientin eine fast schon lebenswichtige Notwendigkeit.
Versicherte können sich wehren
Gegen die schier unbegrenzte Freiheit der Versicherungen könne man als Otto-Normal-Bürger leider nicht viel ausrichten, so Locher. «Ich empfehle: Klopfen Sie bei vielen verschiedenen Orten an. Und seien sie ehrlich.»
Ist ein Streit mit der Versicherung bereits voll am Laufen, lohne sich auch der Gang zum Versicherungsombudsmann. Die Beratung ist kostenlos und unbürokratisch. Auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat schon korrigierend eingegriffen. Ende 2020 veröffentlichte sie eine Medienmitteilung, in der sie festhielt, dass «Rechnungen im Bereich der Krankenzusatzversicherung häufig intransparent sind und zum Teil unbegründet hoch oder ungerechtfertigt scheinen.»
Für Betroffene hat Heinz Locher noch ein Ass im Ärmel: das Versicherungsaufsichtsgesetz. Dieses regelt die Aufsicht des Bundes über Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler. Im Artikel 46 steht geschrieben: «Die Finma schützt die Versicherten gegen Missbräuche der Versicherungsunternehmer und Versicherungsvermittler.»