Auf einen Blick
- Brand in St. Galler Wohnhaus mutmasslich durch fahrlässige Handwerker verursacht
- Betroffene Bewohner enttäuscht über fehlende Kommunikation der Spenglerfirma
- Sachschaden beläuft sich auf zweieinhalb Millionen Franken
Als Marisa L.* (39) und Leonardo G.* (42) am 12. Januar 2024 nach Hause kommen, bietet sich ihnen ein schreckliches Bild. «Unser Haus stand in Flammen!» Lichterloh brennt das Zuhause der beiden Mieter, später wird sich herausstellen, dass der Sachschaden zweieinhalb Millionen Franken beträgt.
Schon in der Meldung der Stadtpolizei am gleichen Tag steht: «Gemäss ersten Erkenntnissen waren Dachdecker mit Enteisungsarbeiten der Dachrinnen beschäftigt. Im Rahmen dieser Arbeiten brach der Brand aus.» Und: «Im Vordergrund steht eine fahrlässige Brandverursachung.» Leonardo G. sagt: «Diese beiden Handwerker standen mit kreidebleichen Gesichtern auf dem Parkplatz.»
Wie das «Tagblatt» jetzt unter Berufung auf Strafbefehle der St. Galler Staatsanwaltschaft berichtet, hat einer der Spengler zu wenig aufgepasst, als er mit einem Gasbrenner die dicke Eisschicht auf dem Dach wegschmelzen wollte. Die Flamme erhitzte das Blech derart, dass in der darunter gelegenen Holzkonstruktion ein Schwelbrand entstand. Verletzt wurde beim Brand glücklicherweise niemand.
Ein Arbeiter und der Spengler-Chef kassieren eine bedingte Geldstrafe von je 1800 Franken, das Verfahren gegen den zweiten Arbeiter wird eingestellt. Die Strafbefehle sind noch nicht rechtskräftig.
«Für mich ist das moralisch verwerflich»
Marisa L. und Leonardo G. sind sauer auf die Spenglerfirma, weil sie ewig nichts von ihr gehört haben. «Die fackeln unser Haus ab und sagen dann nicht mal Sorry», sagen die beiden gegenüber Blick. Ein geliebtes Heim wird ein Raub der Flammen, viele lieb gewonnene Erinnerungsfotos und schöne Kleider gehen in der Wohnung verloren. «Die ganze Wohnung stand wegen der Löscharbeiten unter Wasser, alles war kaputt.» Die beiden müssen sich eine neue Bleibe suchen. In den folgenden zwölf Monaten tingeln sie durch Hotels, eine Pension und eine Wohnung – inzwischen haben sie etwas Passendes gefunden.
Dass sich die Firma nicht bei ihnen gemeldet hat, versteht Leonardo G. nicht: «Für mich ist das eine Frage des Anstands.» Die Immobilienfirma, der das Haus gehört, habe sich direkt am nächsten Tag gemeldet und Hilfe angeboten.
Einfach Funkstille
Als vergangenes Jahr klar wird, dass Marisa L. und Leonardo G. mehrfach umziehen müssen, schreibt Marisa L. dem Spengler ein Mail und fragt, ob die Firma die Umzugskosten übernehmen würde. Eine Antwort gibt es nicht. Auf hartnäckiges Nachfragen kommt ein Jahr nach dem Brand schliesslich eine Ein-Satz-Antwort: «Im Auftrag der Geschäftsleitung teile ich Ihnen mit, dass sich unser Anwalt noch diese Woche bei Ihnen melden wird.»
Marisa L. wirft ein: «Nicht einmal jetzt, als die Strafbefehle öffentlich wurden, sagt der Chef der Spenglerfirma etwas. Es wäre einfach eine nette Geste gewesen.» 2000 Franken haben die beiden für den Umzug hinlegen müssen.
Blick fragt – Anwalt antwortet
Als Blick bei der Spenglerfirma nachfragt, verweist die Inhaberin auf den Anwalt, sagt aber gleichzeitig: «Es ist auch für uns sehr schwer.» Der Anwalt, Michael Werner, schreibt später: «Selbstverständlich bedauert meine Mandantin ausserordentlich, dass es zu diesem Brand gekommen ist. Es lag aber aus nachvollziehbaren Gründen, insbesondere aufgrund der nach wie vor laufenden Strafverfahren, nicht in der Hand meiner Mandantin, mit den Mietern Kontakt aufzunehmen.»
Grund dafür seien die noch nicht rechtskräftigen Strafbefehle und die noch immer laufenden Gespräche mit den Versicherungen. «Der Kontakt meiner Mandantin hat sich aus rechtlichen Gründen auf den Kontakt mit den Strafbehörden, den Versicherungen und teilweise mit der Grundeigentümerin beschränkt.»
Marisa L. und Leonardo G. bleiben dabei: «Ein einfaches ‹Hey, wie geht es euch?› nach einem solchen Brand hätte allemal dringelegen.»
* Namen geändert