Es ist der 6. März 2021, die Schweiz befindet sich im Lockdown. Doch eine Gruppe von 90 Corona-Skeptikerinnen und -Skeptiker ignoriert die Vorschriften. An diesem Samstag treffen sie sich im Restaurant Älpli in Gommiswald SG und feiern ein Fest – trotz Veranstaltungsverbot. Und: Die Gäste tragen keine Masken – trotz Maskenpflicht.
Die unbewilligte Veranstaltung haben die Älpli-Wirtin Barbara L.* und Konrad P.* – ein lokaler Autoverkäufer – organisiert. Die beiden haben offensichtlich gewusst, dass sie eine Straftat begehen, wenn sie bei den damals geltenden Corona-Massnahmen eine Veranstaltung durchführen. Gemäss Informationen der Kantonspolizei St. Gallen seien die beiden bereits am Tag vor der Veranstaltung mit der Polizei in Kontakt gestanden. Diese habe die Organisatoren am Freitag darüber informiert, dass die Veranstaltung wegen der aktuell geltenden Corona-Massnahmen nicht stattfinden dürfe. Doch das hielt die Wirtin und den Autoverkäufer nicht davon ab, sie trotzdem durchzuführen.
Im Gegenteil: Die beiden Organisatoren der Veranstaltung haben offenbar die Polizei geradezu erwartet – und auf eine Auseinandersetzung gehofft. Als die Beamten aufkreuzen, stehen sie schon mit einer Kamera bereit, um deren Einsatz zu filmen. Womit sie aber offenbar nicht gerechnet haben: Die Polizei begegnet dieser Aktion auf geradezu unspektakuläre Art und Weise.
Diskussionen mit der Polizei
Aufnahmen zeigen, wie Polizisten mit Barbara L. und Konrad P. vor dem Eingang des Restaurants Älpli diskutieren. Die beiden zeigen sich überzeugt davon, dass ihre Veranstaltung mit 90 Personen rechtens ist. Dabei berufen sie sich auf den ebenfalls anwesenden Armin Schmid, Guru und Wortführer der Massnahmen-Skeptiker. Er hielt später im Restaurant vor den Gästen einen Vortrag darüber, wie sich Corona-Massnahmen umgehen lassen
Der Einsatzleiter der Polizei – der die Wirtin und den Autoverkäufer offenbar gut kennt – versucht die beiden davon zu überzeugen, dass sie sich irren und besser nicht auf den angeblich gut informierten Armin Schmid hören sollten. «Glaubst du wirklich, wir marschieren hier einfach so auf, ohne vorher abzuklären, ob das zulässig ist oder nicht?», fragt der Polizist P. Erfolglos. Dieser will an diesem Tag nicht mit sich reden lassen.
Daraufhin zieht die Polizei ab – die Veranstaltung findet statt. Die Kantonspolizei St. Gallen rechtfertigt das später so: Die Beamten hätten mit Gegenwehr rechnen müssen. Man wollte das Risiko einer Eskalation vermeiden – nicht zuletzt, weil auch Kinder und Rentner anwesend waren.
Gemeinde leitet rechtliche Schritte ein, Staatsanwaltschaft ermittelt
Weil die Polizei am Ende nicht eingeschritten ist, glauben die Wirtin und der Autoverkäufer auch Tage nach der Veranstaltung noch immer, sie seien im Recht gewesen. Wie falsch sie lagen, zeigte sich erst später: Denn die Polizei hat nicht nur die Handys von L. und P. beschlagnahmt, sie hat auch die Kasse des Restaurant Älpli sowie Preislisten konfisziert!
Rund einen Monat nach dem Vorfall leitet auch die Gemeinde Gommiswald rechtliche Schritte ein. «Der Gemeinderat verurteilt die durchgeführte Veranstaltung vom 6. März 2021 im Café-Bistro Älpli und hat die Betriebsinhaberin schriftlich verwarnt sowie bei der Staatsanwaltschaft angezeigt», heisst es in einer Mitteilung der Gemeinde. Sollte Barbara L. noch einmal gegen die geltenden Bestimmungen verstossen, könnte ihr das Wirtepatent entzogen werden.
Bereits Gäste gebüsst
Der Vorfall hat aber nicht nur für die Wirtin Konsequenzen. Auch gegen Mitorganisator Konrad P. und andere Gäste wurden Strafuntersuchungen eingeleitet. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Widerhandlung gegen das Covid-19-Gesetz sowie Missachtung einer polizeilichen Anweisung.
Bereits im vergangenen Sommer wurden 27 der rund 90 anwesenden Personen gebüsst. Die meisten müssen laut Strafbefehl 380 Franken bezahlen. Der Betrag setzt sich zusammen aus einer Busse in Höhe von 100 Franken, Gebühren von 180 Franken und besonderen Auslagen von 100 Franken. Drei von ihnen haben den Strafbefehl angefochten. Sie stehen am Freitag vor Gericht.
Im vergangenen Oktober stand schon ein erster Gast der Älpli-Feier vor Gericht, nachdem er seinen Strafbefehl angefochten hat. Bloss: Der Richter liess ihn damals vor dem Kreisgericht abblitzen. Die Folgen: Der Angeklagte musste danach neu einen mehr als dreimal höheren Betrag bezahlen, als derjenige, der ursprünglich im Strafbefehl gefordert wurde. (oco)
* Namen bekannt