Die Infektionszahlen in der Schweiz steigen an. Wer ohne Maske im öffentlichen Verkehr unterwegs ist, zieht nun erst recht die Blicke und die Missgunst anderer Pendler auf sich – wie die Thurgauer SP-Kantonsrätin Barbara Müller (57).
Mittlerweile hat die Sozialdemokratin schon drei Zugbegleiterinnen auf dem Polizeiposten von Aadorf TG zur Anzeige gebracht – wegen Nötigung! Müller, die täglich pendelt: «Mir wurde wiederholt damit gedroht, mich aus dem Zug zu werfen oder dass man die Polizei rufe und ich dafür bezahlen müsse!»
Müller will Atteste nicht vorweisen
Für die Thurgauerin, die ein GA für die 1. Klasse besitzt, ist dieses Vorgehen nicht zulässig. Schliesslich habe, wer ein gültiges Billet besitze, gemäss Personenbeförderungsgesetz auch Anspruch auf Transport.
Gleich zwei ärztliche Atteste entbinden die Regionalpolitikerin von der im Juli eingeführten Maskenpflicht. Dies, weil sie in der Vergangenheit eine zentrale Lungenembolie erlitten hatte. Sie könnte den Kontrolleuren ihre Atteste mit bestem Gewissen vorweisen, verweigert sich dem aber entschlossen.
«Persönliche Informationen gehen das Zugpersonal nichts an!»
«Für eine solche Kontrolle fehlt eine gesetzliche Grundlage. Es handelt sich um sensitive und persönliche Informationen, welche die Zugbegleiter nichts angehen. Zudem ist der Datenschutz nicht gewährleistet», argumentiert Barbara Müller. Sie selbst sei zudem in Besitz mehrerer E-Mails, in denen die SBB die fehlenden Befugnisse ihrer Mitarbeiter einräumen würden.
Bei der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) sieht man es anders: «Reisende, die sich Anordnungen widersetzen, können aus dem Zug gewiesen werden. Das Gleiche gilt etwa auch für Betrunkene, die andere Reisende belästigen, selbst wenn diese im Besitz eines Billets sind», sagt Gewerkschaftssekretär Jürg Hurni.
Die SBB äussern sich nur sehr zurückhaltend zur Thematik. Dem Vernehmen nach stellt Barbara Müller mit ihren Strafanzeigen aber schweizweit einen absoluten Einzelfall dar, eine Statistik über Verstösse führe man allerdings nicht.
SBB reagiert zurückhaltend – und lobt Pendler
«Die ÖV-Unternehmen empfehlen den betroffenen Reisenden, das entsprechende Arztzeugnis auf sich zu tragen, um dieses vorweisen zu können. Dies hat sich bewährt, ebenso wird die Maskenpflicht an sich weiterhin sehr gut eingehalten», betont Mediensprecher Martin Meier auf Anfrage von BLICK.
Zwischen Barbara Müller, die ohne Maske im Zug auch schon von einem Passagier tätlich angegriffen wurde, und den Bundesbahnen soll schon in den nächsten Tagen eine Aussprache stattfinden.