Epidemiologe Marcel Tanner zu den steigenden Corona-Zahlen
«Viele sind nachlässig geworden»

Die rasant steigenden Corona-Zahlen bereiten Sorgen. Dabei aber müssen wir uns vor allem an der eigenen Nase nehmen, sagt der Basler Epidemiologe Marcel Tanner. Viele halten sich schlicht zu wenig an die bekannten Schutzregeln.
Publiziert: 15.10.2020 um 22:54 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2020 um 10:48 Uhr
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Die Behörden sind beunruhigt: Die Corona-Situation in der Schweiz spitzt sich zu.
Foto: Keystone
Daniel Ballmer

Damit hat keiner gerechnet. Auch Gesundheitsminister Alain Berset (48) nicht. Die Corona-Fallzahlen in der Schweiz stiegen viel stärker an als erwartet – und viel früher. Denn noch hat der Winter und damit die Grippesaison noch nicht einmal begonnen.

«Die Situation ist beunruhigend», sagte Berset am Donnerstag vor den Medien. Mittlerweile steht die Schweiz schlechter da als die meisten europäischen Staaten – und sogar schlechter als die USA (siehe Grafik).

«Wir müssen uns alle unbedingt wieder mehr ins Zeug legen»

Auch Experten haben erst zu einem späteren Zeitpunkt mit rund 3000 neuen Fällen pro Tag gerechnet. Dass es nun doch anders gekommen ist, hat mehrere Gründe, sagt Epidemiologe Marcel Tanner (67). Da sei einerseits das kältere Wetter. «Wir halten uns mehr in Innenräumen auf, womit die Möglichkeiten einer Ansteckung automatisch steigen.»

Wichtiger sei jedoch: «Viele von uns sind nachlässiger geworden bei der Einhaltung der bekannten Grund-Schutzmassnahmen», redet Tanner Klartext. Beim regelmässigen Händewaschen, Distanzwahren und Masketragen «müssen wir uns alle unbedingt wieder mehr ins Zeug legen, gerade im engeren und weiteren privaten Umfeld», findet das Mitglied der wissenschaftlichen Taskforce.

Immerhin ist es in den vergangenen Wochen gerade innerhalb von Familien zu Ansteckungen gekommen – im Haushalt oder an privaten Feiern. Aber auch das Nachtleben fordert seinen Tribut. Hunderte mussten nach einem Club- oder Barbesuch in Quarantäne.

Nicht mehr auf Eigenverantwortung verlassen

Es braucht wieder mehr Selbstdisziplin, predigen nicht nur die Behörden. Auch Experte Tanner plädiert an die Eigenverantwortung jedes Einzelnen. «Ein solches Verhalten ist nicht einfach über Vorschriften zu erreichen. Da müssen wir alle an unsere Gemeinschaftsverantwortung denken», sagt Tanner.

Dennoch seien weitere Massnahmen zu prüfen. Tanner spricht etwa eine mögliche Rückkehr vermehrt zum Homeoffice an. Auch der Schulunterricht könnte auf höheren Stufen wieder mehr online geführt werden. «Und dann sind sicher auch weitere Massnahmen bei Bars und Clubs nötig», sagt Tanner.

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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