Justiz-Posse im Thurgau
St. Galler (23) wegen «zu lautem» Maserati vor Gericht

Der St. Galler Rico Bleiker (23) soll mit seinem gemieteten Maserati «unnötig Lärm erzeugt haben», wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Der Mann wehrt sich – zu Recht. Die Justiz-Posse kommt vor allem den Steuerzahler teuer zu stehen.
Publiziert: 24.03.2021 um 12:59 Uhr
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Aktualisiert: 29.04.2021 um 09:54 Uhr
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Rico Bleiker (23) mit dem Maserati seines Onkels Daniel. Vor zweieinhalb Jahren hatte der junge Mann das gleiche Modell für zwei Tage gemietet.
Foto: Zvg
Anastasia Mamonova

Rico Bleiker (23) aus St. Gallen mietet im Juli 2018 für zwei Tage einen Maserati Granturismo Sport (460 PS). Gemeinsam mit drei Freunden fährt der damals 20-Jährige mit dem Luxusschlitten nach Arbon TG zum Glaceessen, schreibt das «St. Galler Tagblatt».

Dabei wird er plötzlich von zwei Polizisten auf einem Töff angehalten. Der Grund: Das Auto sei «zu laut», heisst es seitens der Beamten. Einen Monat später flattert ihm ein Strafbefehl ins Haus. Darin steht: «Vermeidbare Lärmerzeugung durch Fahren mit geöffneter Schalldämpferklappe, innerorts.» Dafür gibts 150 Franken Busse und 100 Franken Verfahrensgebühr!

Einsprache gegen Strafbefehl

Bleiker versteht die Welt nicht mehr. Er sei zu keinem Zeitpunkt zu schnell unterwegs gewesen. Ausserdem sei er im Automatikmodus gefahren. Das bedeute, dass die Schalldämpferklappen geschlossen seien. Und sowieso habe er zu wenig Ahnung vom Auto, um diese manuell zu öffnen.

Bevor der junge Mann die Busse zahlt, schaltet sich sein Onkel Daniel Bleiker (61) ein. Der Thurgauer fährt selbst den gleichen Sportwagen. «Ein Maserati ist laut. Er ist original mit einem V8-Ferrarimotor und mit einer Sportabgasanlage ausgestattet», sagt er zu BLICK. Die Familie erhebt Einsprache gegen den Strafbefehl.

Rico Bleiker wird daraufhin zu einer Befragung vorgeladen und hört über ein Jahr lang nichts mehr von den Behörden, als dann plötzlich das Telefon klingelt. Am anderen Ende ist die Staatsanwältin. «Sie hat mich aufgefordert, die Busse doch zu bezahlen, da ich vor Gericht sowieso keine Chance hätte und es dann teuer werden könne», sagt Bleiker zu BLICK. «Ich war da gerade im Militär und fühlte mich ziemlich genötigt.» Der junge Mann bleibt dennoch weiter standhaft.

Zu laut beim Anfahren

Im Juni 2020 bekommt Bleiker erneut Post von der Staatsanwaltschaft. Dieses Mal wird ihm vorgeworfen, in Arbon beim Anfahren kurzzeitig massiv Gas gegeben zu haben, sodass zwei Fussgänger wegen des Lärms erschrocken seien.

Danach sei er zwar vorschriftsmässig durch die 30er-Zone der Altstadt gefahren, habe aber wiederholt aufs Gaspedal gedrückt, «wodurch er unnötig Lärm erzeugte, der vermeidbar gewesen wäre». Dass er die Schalldämpferklappen geöffnet haben soll, wurde unterdessen gestrichen.

«Das ist doch Willkür. Da der erste Strafbefehl, den sie vor 22 Monaten ausgestellt hatte, nicht fruchtete und auch die mahnenden Telefonate keine Wirkung zeigten, versuchte sie es mit einem neuen Strafbefehl», sagt Ricos Onkel Daniel Bleiker. Jetzt will die Familie die Sache vor Gericht klären und schaltet einen Anwalt ein.

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Freispruch vor Gericht

Im Januar kommts dann zum Prozess vor dem Bezirksgericht Arbon. Bleikers drei Mitfahrer werden als Zeugen zugelassen und sagen aus, dass der Lenker damals den Motor nicht habe aufheulen lassen. Daraufhin wird der 23-Jährige freigesprochen, wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet.

Es sei allgemein bekannt, dass Maseratis laute Fahrzeuge seien. Zwar könne nicht vollends ausgeschlossen werden, dass der Lärm durch die Fahrweise des Beschuldigten entstanden sei, jedoch könne sich das Gericht nicht vorstellen, wie das genau vonstatten gegangen sein soll. Deshalb müsse er zwingend freigesprochen werden, so die Urteilsbegründung. Im Protokoll heisst es: «Es ist jedenfalls nicht ganz klar, wie man von 0 km/h auf 30 km/h massiv beschleunigen kann, denn dann müsste unmittelbar danach wieder auf die Bremse gedrückt werden.»

Die Kosten in Höhe von 3387.90 Franken müssen die Steuerzahler berappen.

«Bin von der Staatsanwaltschaft masslos enttäuscht»

«Ich war sehr erleichtert, dass die ganze Sache endlich ein Ende hat», sagt Rico Bleiker. «Die ganze Zeit war für mich mental sehr herausfordernd und hat viel Nerven und Zeit gekostet. Ohne die Hilfe meines Onkels wäre es für mich viel schwieriger gewesen.»

Das Fazit von Daniel Bleiker: «Strafbefehle sollen immer genau unter die Lupe genommen werden.» Der 61-Jährige sagt: «Ich bin von der Staatsanwaltschaft masslos enttäuscht. Vor allem junge Leute werden zu Unrecht abgeurteilt und abgezockt.»

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