An einer Felswand direkt am Walensee soll eine grosse Freiflächen-Solaranlage entstehen. Das Projekt Felsenstrom will den ehemaligen Steinbruch Schnür, der am Nordufer des Walensees liegt, mit rund 22'000 Solarpanels auskleiden. Erwartet wird ein jährlicher Stromertrag von 15,5 Gigawattstunden. «In der Region werden jährlich 2700 Vierpersonenhaushalte, also über 10'000 Personen, mit dem Felsenstrom versorgt werden können», sagt Sophia Siegenthaler, Mediensprecherin der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ). Die EKZ planen das Projekt gemeinsam mit den St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerken (SAK). Weil das Projekt Teil des «Solarexpresses» ist, muss es schnell gehen: Bis Ende 2025 sollen 10 Prozent am Netz sein.
Das Projekt ist zwar nicht hochalpin – der Walensee liegt auf 419 Metern über Meer – dennoch soll es einen Beitrag leisten, die Winterstromlücke der Schweiz zu schliessen. «Die Solaroffensive des Bundes sorgt für neue politische Rahmenbedingungen», sagt Siegenthaler mit Blick auf die hohen Subventionen. Aktuell wird mit einer Investition von 30 bis 35 Millionen Franken gerechnet.
Doch das Projekt hat auch Kritiker. Diese kommen nicht primär aus der Standortgemeinde Amden SG, denn von dort ist die Felswand gar nicht sichtbar. Amden verhandelt aktuell noch mit den beiden Betreiberfirmen über die Vergütung, welche die Gemeinde künftig erhalten soll.
«Brandschwarzer Fremdkörper»
Klar sichtbar ist das Projekt von der anderen Seite des Walensees aus. Direkt gegenüber liegt Mühlehorn GL. Hier hat sich die Opposition zum Solarprojekt in der Interessensgemeinschaft Pro Walensee vereint. «Es ist ein Fremdkörper, der nicht in die natürliche Landschaft passt», sagt Susanna Ackermann (52). Die Anlage werde so gross wie sieben Fussballfelder, «brandschwarz», und der idyllische Charakter der Walensee-Region werde verschandelt. «Stattdessen fordern wir eine Begrünung des ehemaligen Steinbruchs», sagt Ackermann. Im Steinbruch, der 2012 stillgelegt wurde, wurde etwa Schotter für die SBB abgebaut.
Ackermann befürchtet, dass während der Bauphase unzählige Helikopterflüge Lärm erzeugen werden, und dass die Reflexionen der Solarpanels danach die Bewohner von Mühlehorn blenden. Die Panels sollen an der steilen Felswand an Seilen aufgehängt werden – entsprechend aufwendig ist die Installation. «Das Projekt ist ineffizient», kritisiert Ackermann. «2015 wurde ein Solar-Versuch am Steinbruch mangels Rentabilität abgebrochen.»
Besonders störend finden die Kritiker, dass sie zum Projekt nicht befragt werden. «Wir sind stark betroffen, haben aber kein Mitspracherecht», erklärt Ackermann. «Wir haben nichts zu sagen», sagt Mitstreiter Hansjörg Läublin (78). Einfluss haben allenfalls die Stimmbürger von Amden, falls dort das fakultative Referendum ergriffen wird. Das Problem dabei: Die Ammler haben keinerlei Sicht auf das Projekt. «Wir bitten die Ammler Bevölkerung um Solidarität», sagt Ackermann. Noch unklar ist, ob Bewohner der südlichen Seeseite, die auch noch in einem anderen Kanton wohnen, berechtigt sind, gegen das Projekt Einsprache zu erheben. «Vom Kanton Glarus werden wir etwas im Stich gelassen», kritisiert IG-Mitglied Oliver Gupta (53).
«Eingriff hat bereits stattgefunden»
Das Baugesuch soll sehr bald eingereicht werden, sagt EKZ-Mediensprecherin Siegenthaler. Dass die Solaranlage in einer geschützten Landschaft geplant wird, sei kein Problem: «Der Eingriff des Menschen in dieses BLN-Gebiet hat bereits stattgefunden», sagt sie. Die Solaranlage Felsenstrom sei «nur ein zusätzlicher minimaler Eingriff». Der ehemalige Steinbruch sei für die wichtige Stromerzeugung im Winter perfekt ausgerichtet. «Energiegewinnung, vor allem im grösseren Stil und im Winter, geht nicht ohne gewisse Eingriffe in die Natur», so Siegenthaler.
Die Betreiber haben bereits für zehn Standorte untersucht, wie stark diese von der Photovoltaik-Anlage geblendet würden. «Acht von zehn Standorten wiesen eine unbedenkliche Blenddauer von unter 20 Stunden pro Jahr auf», erklärt Siegenthaler. An zwei Standorten wurde eine höhere Blenddauer festgestellt. Doch auch der höhere Wert entspreche nur 5 Minuten Blendung pro Tag bei wolkenlosem Himmel. Durch die Distanz von 1900 Metern zwischen Mühlehorn und der geplanten Anlage könne die Blendung als unproblematisch betrachtet werden.
Dorf schon stark belastet
Daran zweifeln die Mitglieder der IG Pro Walensee. «Experten warnen, dass die Anlage wesentlich mehr blendet als von den Betreibern behauptet», sagt Susanna Ackermann. Sie befürchtet zudem, dass die an Seilen hängenden Solarpanels nicht nur reflektieren, sondern gleichzeitig auch noch im Wind schwingen und vielleicht auch pfeifen werden. «Durch die Bahnstrecke und die Autobahn, die mitten durch Dorf geht, sind wir schon stark belastet», sagt Ackermann. Sie sei keineswegs grundsätzlich gegen Solaranlagen. Diese sollten jedoch auf Dächern oder bestehender Infrastruktur installiert werden – und nicht in der geschützten Natur.