Tanzen und Alkohol sind verboten, Frauen müssen Röcke tragen: Die Toggenburger Glaubensgemeinschaft Adullam in Wattwil SG pflegt ein christlich-fundamentalistisches Weltbild. «Es geht um das strikte Einhalten aller Regeln aus der Bibel. Wer daran scheitert, dem drohen Feuer und Hölle», beschreibt Sektenexperte Georg Schmid (55) die auf dem Papier nur informelle Glaubensgemeinschaft.
Daniel F.* (44) wurde in dieses Umfeld hineingeboren, übernahm 2016 nach dem Tod seines Vaters die Führung im Ältestenrat von Adullam. Diesem Gremium gehört er offensichtlich noch immer an, allerdings nicht mehr an vorderster Front. Das erstaunt kaum: Seit Juli 2019 sitzt F. im Gefängnis. Zunächst in U-Haft, mittlerweile im vorzeitigen Strafvollzug.
Die Staatsanwaltschaft St. Gallen wirft dem ehemaligen Kanti-Lehrer, Armee-Major und UBS-Kaderbanker unter anderem gewerbsmässigen Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung und Steuerbetrug vor. Am Mittwoch wird ihm nun der Prozess gemacht – F. droht eine Freiheitsstrafe von acht Jahren.
Ein Doppelleben in Saus und Braus
Die Deliktsumme beträgt rund 4,8 Millionen Franken. Offenbar über viele Jahre hinweg zieht Daniel F., den guten Christen und erfolgreichen Banker mimend, seinen Geschwistern ihr Geld aus der Tasche. Er verspricht ihnen fette Gewinne aus seiner eigenen Immobilienfirma. Sein Versprechen: Er kauft alte Gebäude, möbelt sie auf und verkauft sie mit Gewinn wieder weiter. Die gleiche Masche zieht er später auch noch zwei mit ausrangierten Kampfflugzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg ab.
Was die Geschwister von F. nicht ahnen: Es handelt sich bloss um fiktive Anlagen. Ihr vermeintlich frommer Bruder lebt ein Doppelleben in Saus und Braus. Prunkautos, Fünf-Sterne-Luxusferien und laut Anklageschrift «unsinnige Investitionen» in eine Mietwohnung gehören dazu. So fliessen dort 280'000 Franken in die prunkvolle Gartenanlage und in Renovationen der vor dem Einzug ohnehin schon grundsanierten Liegenschaft.
Für 17'000 Franken mit dem Mirage-Jet durch die Alpen
Auch für seine Hochzeitsfeierlichkeiten inklusive Limo-Service, einen Diamantring für die Gattin (42'500 Franken), einen exklusiven Klavierflügel und Cellobogen (90'000 Franken) oder einen Nostalgieflug mit einem ausrangierten Mirage-Kampfjet (17'000 Franken) kamen die Angehörigen auf. Weil 16'500 Franken Monatslohn dafür nicht ausreichten, zockte Daniel F. über die Jahre auch noch ein weiteres Adullam-Mitglied und einen UBS-Kaderbanker ab.
«Er ist sehr sympathisch und vertrauenswürdig. Das nutzt er in der Manier eines skrupellosen Gangsters aus», sagt sein ehemaliger Immo-Geschäftspartner Heiner T.* (40) zu Blick. «Er hat immer wieder Mittel aus unserer gemeinsamen Firma für eigene Zwecke abgezogen.» Tatsächlich ist F. auch angeklagt, weil er die Bücher des Unternehmens wiederholt frisiert haben soll.
«Er war unglaublich respektvoll und zuvorkommend!»
Zwei seiner ausserehelichen Geliebten soll F. zudem finanziell aus der Patsche geholfen haben. Eine davon, Milana S.* (30), seine damalige UBS-Assistentin, bestreitet allerdings eine Beziehung. «Er hat einfach eine unglaublich eifersüchtige Ehefrau», sagt sie zu Blick. «Mir gegenüber war er unglaublich respektvoll und zuvorkommend. Auch hat er mich nach einem Autounfall unterstützt; aber geküsst haben wir uns nie», so S.
Bei der UBS soll er sich darüber hinaus mit falschen Angaben zu einer Hypothek einen Kredit von 640'000 Franken erschlichen haben. Auch beim RAV steht F. mit über 80'000 Franken in der Kreide, weil er nach seiner fristlosen Entlassung seine neue Anstellung bei einer französischen Bank verheimlicht hatte.
Adullam droht die Zwangsvollstreckung
Das hat auch Konsequenzen für die Gemeinschaft Adullam. Wegen der Millionenschulden unterliegt das Hauptquartier in Wattwil einer Grundbuchsperre. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Zwangsvollstreckung, falls die Ersatzforderungen nicht aufgebracht werden können. «Es gibt einzelne vermögende Mitglieder bei Adullam. Es müsste viel gesammelt werden», sagt Sektenexperte Georg Schmid.
Schon in den letzten Jahren sei die Anzahl der Mitglieder von rund 500 auf 200 geschrumpft. Es sei daher fraglich, ob Adullam dies tatsächlich bewerkstelligen könne. Dafür, dass Daniel F. trotz Haft und aller Prunksucht noch immer eine Rolle im Ältestenrat einnimmt, hat er eine plausible Erklärung: «Die Menschen in Adullam streben ein Leben ohne Sünde an. Es gibt keinen Grund, ihn längerfristig zu behalten, wenn man seine Liegenschaften eines Tages nicht mehr braucht.»
Die Gemeinschaft selbst lässt sich nicht in die Karten blicken. «Wir als Glaubensgemeinschaft harren der Dinge, die da kommen sollen», teilt Roger Bachmann mit. Er ist der Nachfolger von F. als Sprecher des Ältestenrates. Die Fragen von Blick beantwortet er hingegen nicht. Für den Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
* Name geändert