Für die meisten Menschen in der Schweiz sind die Polizistinnen und Polizisten Freund und Helfer. Von anderen werden sie jedoch als Erzfeinde, als Zielscheiben für Hass angesehen.
Und so schlägt den Polizeikräften oft massive Gewalt entgegen. Das bestätigen auch die Zahlen der neusten Kriminalstatistik. Sie zeigen: 3557 Fälle von «Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte» wurden 2021 schweizweit registriert – ein Rekordhoch. Noch nie zuvor wurden so viele Behörden, Mitglieder einer Behörde und Beamte bedroht oder sogar angegriffen.
Markanter Anstieg von 2019 zu 2020
Johanna Bundi Ryser (59), Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) und selbst Polizistin, zeigt sich gegenüber Blick wegen dieser Zahlen besorgt: «Schon das Jahr 2020 war mit 3514 Straftaten ein Rekordjahr. Dieser Wert wurde 2021 sogar noch übertroffen.»
Hinter den Zahlen stecken teils traumatische Erlebnisse für die Polizistinnen und Polizisten in der Schweiz. Bundi Ryser erinnert sich: «Als Beispiel aus dem Jahr 2021 habe ich noch die Bilder aus St. Gallen von April im Kopf. Damals zog eine Meute Chaoten durch die Stadt, verwüstete diese und attackierte die Polizei.»
Seit Jahren steigt die Zahl der Straftaten von «Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte». Waren es im Jahr 2011 noch 2519 Straftaten, erfasste die Statistik 2019 bereits 3251. Und alleine von 2019 zu 2020 hat die Zahl um 8,1 Prozent zugenommen. Bundi Ryser hat eine Erklärung dafür: «Aus Gesprächen mit Mitgliedern des Berufsverbandes höre ich, dass während der Corona-Zeit Polizistinnen und Polizisten wegen der neuen Aufgaben besonders stark – noch mehr als sonst – im Visier von gewissen Teilen der Bevölkerung standen.»
«Respektlosigkeiten, Pöbeleien, Handgreiflichkeiten»
Es sei eine Herausforderung für die Einsatzkräfte gewesen, die Corona-Massnahmen zu vollstrecken, so die VSPB-Präsidentin. «Denn die Massnahmen stiessen bekanntlich nicht bei allen Menschen in der Schweiz auf Verständnis, und das hat sich auch in den vielen Demonstrationen gezeigt.»
Den Beamten schlug Wut, Frust und Hass entgegen. «Dies manifestierte sich in Respektlosigkeiten, Pöbeleien, verbalen Attacken und gar Handgreiflichkeiten gegen uns», so Bundi Ryser. Aus der Corona-Zeit sei ihr vor allem «diese brachiale Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten bei den Demonstrationen» geblieben. «Das waren schockierende Bilder.»
Allgemein sei der Frust der Leute gegen die Polizei deutlich spürbar gewesen. «Denn wir fungierten als Vollstrecker der politischen Entscheide und mussten dazu als Blitzableiter herhalten.»
Das könnte Sie auch interessieren
In gewissen Städten Hassobjekt Nummer eins
Trotz mühsamer Jahre für die Polizei während Corona: Bundi Ryser erinnert daran, dass die Mehrheit der Bevölkerung in der Schweiz eine Person, die den Polizei-Beruf ausübt, immer noch als jemanden ansehen würde, dem man Vertrauen könne. «In ländlichen Gebieten in der Schweiz ist das Ansehen der Polizei grundsätzlich höher als in den Städten. Auf dem Land reisst man noch ein Schwätzchen mit dem Polizisten, man kennt die Beamten.»
Anders sei die Situation in den urbanen Gebieten: «Das Ansehen der Polizistinnen und Polizisten ist tiefer. Das Ganze ist anonymer.» Und: «In gewissen Städten der Schweiz sind die Einsatzkräfte Hassobjekt Nummer eins für einige Gruppierungen» so Bundi Ryser. «Sogar die Rettungssanitäter werden angegriffen, obwohl sie auf dem Weg sind, um Leben zu retten. Das ist doch paradox!»
Doch trotz aller Schwierigkeiten sei es erfreulicherweise immer noch so, dass viele Leute in der Schweiz den Beruf des Polizisten oder der Polizistin als Traumberuf sehen würden, so die Verbandschefin. «Auch ich selbst würde mich wieder für eine Laufbahn als Polizistin entscheiden, würde ich jetzt am Start meines Berufslebens stehen.»