In China breitet sich taiwanesischen Berichten zufolge ein neues Virus aus. Das Langya-Henipavirus übertrage sich von Tieren – etwa von Hunden, Mäusen oder Ziegen – auf Menschen und könne zu Organversagen führen, heisst es. In China seien 35 Menschen infiziert, sagte Chuang Jen-Hsiang, stellvertretender Direktor des Taiwans Center for Disease Control (CDC). Unklar ist, ob sich das Virus auch von Mensch zu Mensch überträgt.
Das Virus wurde bei Patienten in den Provinzen Shangdong und Henan nachgewiesen. Die Erkrankten litten an hohem Fieber, Erschöpfung, Husten, Appetitlosigkeit und einem Rückgang der weissen Blutkörperchen.
Bei mehr als einem Drittel der Betroffenen kam es laut der Studie, die im «New England Journal of Medicine» veröffentlicht wurde, zu einem Leberversagen, acht Prozent hatten ein Nierenversagen.
Neue Krankheiten oft auf Kontakt zu Tieren zurückzuführen
Die Meldung klingt beunruhigend. Sorgen macht sich der ehemalige Basler Kantonsarzt Thomas Steffen (61) aber nicht. Er weist darauf hin, dass derzeit rund 200 Krankheiten bekannt seien, die sowohl bei einem Tier als auch beim Menschen vorkommen. Dazu würden unter anderem die Pest, Anthrax, Ebola, Covid-19 oder Mers gehören.
«Viele neu auftretende, übertragbare Krankheiten sind demnach zurückzuführen auf einen in der Regel engen Kontakt zwischen Menschen und Tier», sagt Steffen zu Blick.
Ähnliche lokale Ausbrüche durch verwandte Viren seien schon in der Vergangenheit beschrieben worden. Wie etwa in Australien 1995 nach einer Übertragung vom Pferd zum Menschen oder 1999 in Malaysia und Singapur durch Kontakt mit virusinfizierten Schweinen.
«Das zeigt, wie wichtig gute Hygiene ist»
Droht uns jetzt nach der Corona-Pandemie ein ähnliches Szenario? Thomas Steffen gibt Entwarnung. «Sorgen muss man sich im Moment keine machen. Es ist aber sehr wichtig, dass solche lokalen Ausbrüche gut abgeklärt werden, damit man die nötigen präventiven Schritte gezielt und schnell unternehmen kann.»
Wichtig sei es, die Erkenntnisse breit fachlich zu kommunizieren, damit überregionale Veränderungen rascher erkannt werden.
«Das Beispiel zeigt auch einmal mehr, wie wichtig eine gute Hygiene nicht nur zwischen den Menschen, sondern auch bei Mensch-Tier-Kontakten ist. Viele übertragbare Krankheiten beim Menschen sind über den engen Kontakt mit Tieren entstanden», betont Steffen.
Das spricht gegen ein «zweites Coronavirus»
Im Gegensatz zum Coronavirus gebe es in diesem Fall keine Hinweise auf eine epidemische Ausbreitung. «Die Forscher vermuten eher einzelne Tierübertragungen, da bei der Untersuchung keine Übertragungen zwischen Menschen oder gemeinsame Expositionsgeschichten unter den Patienten gefunden wurden.»
Das spreche klar gegen ein «zweites Coronavirus», sagt der Mediziner. Auf die leichte Schulter soll man das Virus dennoch nicht nehmen. «Die Geschichte der Pandemien lehrt, dass man hier immer wachsam sein muss.»
BAG sieht momentan keine Gefahr
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sagt auf Anfrage von Blick, man beobachte die Situation zusammen mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV, das für zoonotische Erreger, die vom Tier auf den Menschen übertreten können, zuständig ist. BAG-Sprecher Simon Ming: «Aktuell stellt dieser Ausbruch keine Gefahr dar, zeigt jedoch auf, dass Mensch und Tier dauernd mit neuen Erregern und der Bewältigung von Epidemien oder Pandemien konfrontiert werden können.»
Bislang sei sehr wenig über dieses Virus bekannt, sagt Ming. «Es sind keine Todesfälle bekannt. Auch konnte eine Übertragung von Mensch zu Mensch bisher nicht beobachtet werden.» Eine Voraussetzung für eine neue Pandemie sei, dass sich ein neues Virus von Mensch zu Mensch übertragen kann, für das die Menschen keine Immunität hätten. Das pandemische Potenzial werde weiter beeinflusst durch die Art der Übertragung und die Ansteckungsfähigkeit des Virus, erklärt Ming. «Im Moment scheint die Wahrscheinlichkeit niedrig, dass sich das Langyavirus von Mensch zu Mensch verbreiten kann.» (man)