Neue Studie zeigt
Geschwister machen unglücklich

Geht es Einzelkindern besser? Wer mehr als eine Schwester oder einen Bruder hat, ist als Teenager unglücklicher. Das zeigt eine Studie aus den USA. Grund dafür ist die «Ressourcenverdünnung» der Eltern.
Publiziert: 23.01.2024 um 16:20 Uhr
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Wer mit einem oder keinem Geschwisterkind aufwächst, hat im Teenager-Alter weniger mentale Probleme.
Foto: Shutterstock
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Jenny WagnerRedaktorin News

Die Pubertät stresst Jugendliche. Der Körper verändert sich, der Alltag wird herausfordernder und die Verantwortung wächst. Doch nicht nur das Erwachsenwerden ist für Teenager eine psychische Belastung – sondern auch die Familienkonstellation. Eine grosse Studie aus den USA und aus China zeigt: Wer viele Geschwister hat, ist unglücklicher.

Forschende der Ohio State University befragten etwa 9400 Achtklässler in China und 9100 Gleichaltrige in den USA. In China herrschte jahrelang die Ein-Kind-Politik. Im Schnitt hatten die chinesischen Studienteilnehmer deshalb 0,9 Geschwister, während die Anzahl in den USA 1,6 Geschwister, also das Doppelte betrug. 34 Prozent der Befragten in China und 12,6 Prozent der Befragten in den USA waren Einzelkinder. Und das spiegelte sich in der Befragung zur psychischen Gesundheit wider.

In China ging es den Einzelkindern besser als Jugendlichen mit Geschwistern. In den USA waren Jugendliche ohne oder mit einem Geschwisterchen etwa gleich glücklich. Jugendlichen aus Familien mit mehr als zwei Kindern ging es psychisch deutlich schlechter. Ob es sich um Halb- oder Vollgeschwister handelte, spielte dabei keine Rolle. 

Kinder buhlen um Aufmerksamkeit der Eltern

«Wenn man sich die elterlichen Ressourcen wie eine Torte vorstellt, heisst es, dass ein Einzelkind die ganze Torte bekommt – alle Aufmerksamkeit und alle Ressourcen der Eltern», erklärt Doug Downey, Soziologieprofessor und Studienleiter an der Ohio State University, in einer Presseerklärung. «Aber wenn man weitere Geschwister hinzufügt, bekommt jedes Kind weniger Ressourcen und Aufmerksamkeit – und das könnte einen Einfluss auf seine mentale Gesundheit haben», erklärt er. In der Psychologie ist von «Ressourcenverdünnung» die Rede. 

«Wenn man alle Beweise zusammenzählt, liegen die Auswirkungen von Geschwistern auf die psychische Gesundheit eher auf der negativen als auf der positiven Seite», so Downey. Ob zu den Geschwistern eine positive oder negative Beziehung herrscht, wird in der Studie nicht klar. Downey meint, eine positive Beziehung könne durchaus dazu führen, dass es den Teenagern besser geht. Besonders schlecht ging es Jugendlichen, die Schwestern und Brüder im gleichen Alter hatten. Studienleiter Downey sagt: «Kinder, die nahezu gleich alt sind, brauchen nun einmal die gleiche Art von elterlichen Ressourcen.»

Vorherige Studien der Ohio State University zeigten aber auch Vorteile von Geschwistern. Kindergartenkinder mit Geschwistern zeigten deutlich bessere soziale Fähigkeiten. Ausserdem liessen sich die Kinder mit Geschwistern im Erwachsenenalter seltener scheiden. Eine chinesische Studie kam laut «Frankfurter Rundschau» zum Entschluss, dass Einzelkinder besseres räumliches Denken haben und kreativer sind. 

Auswirkungen langfristig unklar

Die neue Studie von Downey bezieht sich nur auf die Zeit als Teenager. Welche langfristigen Fogen Geschwister haben, zeigt die Studie nicht. Eine schwedische Studie der Universität Umea aus dem Jahr 2016 hingegen zeigte, dass das Aufwachsen in grossen Familien keine körperlichen oder geistigen Nebenwirkungen auf Erwachsene in der Lebensmitte hatten. 

Einen weiteren entscheidenden Faktor über die psychische Gesundheit verraten die Verhältnisse, in denen Teenager aufwachsen. «So erhöht Armut das Risiko für mentale Erkrankungen besonders stark, es ist der zweitwichtigste Risikofaktor», sagt Kinder- und Jugendarzt Wieland Kiess zur «Süddeutschen Zeitung». In China und in den USA bedeuten weniger Kinder mehr Wohlstand. 

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