Strahlend blauer Himmel. Tagestemperaturen bis zu 20 Grad Celsius. Kein Regentropfen, keine Schneeflocke. Die Sonnenstube macht in diesen Wochen ihrem Namen alle Ehre. Besonders an den grossen Tessiner Seen herrschen Trockenheit und Dürre. Weil Niederschläge und Schmelzwasser fehlen, sinkt deren Pegel und die Flussmündungen legen ungeahnte weisse Traumstrände frei.
Strassencafés haben herausgestuhlt. Die Piazza ist bevölkert mit Touristen und Einheimischen. Im T-Shirt Espresso trinken – und das mitten im Winter! In den ersten sechs Wochen dieses Jahres scheint die Sonne im Südkanton über 250 Stunden. 200 Stunden bläst der Nordföhn schon. «Ein derartig trockenen und warmen Jahresanfang hat es seit Aufzeichnung der Wetterdaten nicht gegeben», stellt Luca Nisi (39) von der Wetterstation von Meteo-Schweiz in Locarno-Monti fest. Seit anno 1864.
Doch das schöne Wetter hat seine Tücken
Doch die Postkarten-Idylle hat auch ihre Schattenseite. Gut sichtbar vom Helikopter aus. Aus sicherer Entfernung zeigt Pilot Alessandro Galli (39) auf die Südflanke des Monte Gambarogno. Seit zwölf Tagen brennt der Hang. 200 Hektar Wald wurden zerstört, die Hälfte aller Nadelbäume. In einer gigantischen Löschaktion gelang es nun das Feuer auf wenige Hundert Meter zurückzudrängen.
«Wir waren durchgehend mit unseren Helikoptern im Einsatz bis zu zehn Stunden am Tag», erzählt der Pilot von Swiss Helicopter Schweiz Region Tessin. Im Minutentakt habe jeder Helikopter 1000 Liter Wasser in die roten Aussenlastbehälter gefüllt und über dem Flammeninferno abgeworfen. Bis zu sechs Privathelis plus zwei Super-Pumas waren täglich unterwegs. Zuweilen halfen auch zwei italienische Löschflugzeuge aus. Alessandro Galli und seine Kollegen starten jeweils bei Morgengrauen vom Heli-Port auf der Magadino-Ebene aus.
Wassermangel und Thermen erschwerten Löscharbeiten
«Der Wassermangel in den Auffangbecken am Berg war ein grosses Problem», erzählt Alessandro Galli, «wir mussten das Wasser auch aus dem See schöpfen. Weil die Sonne den Boden erwärmte, entstanden Thermen. Das sorgte für Turbulenzen, behinderte die Zielsicherheit und bremste die Geschwindigkeit.» Zudem hatten die Mannschaften mit Rauch und Russ zu kämpfen.
Bis das letzte Glutnest gelöscht sei, werde es wohl noch ein paar Tage dauern. Solange seien zwei Helis noch im Einsatz. «Ich bin seit 20 Jahren Pilot, habe immer wieder Brände gelöscht. Die extremen Wetterlagen im Tessin haben zugenommen. Es wird in Zukunft auch noch mehr Waldbrände geben. Wir müssen mehr in die Brandbekämpfung investieren», sagt Alessandro Galli.
Landwirtschaft muss im Klimawandel umdenken
Adrian Feitknecht (33) lässt die trockene Erde durch die Finger rieseln. Der Boden fürs Weizenfeld hat bereits kleine Risse. «Das ist ein Zeichen der Trockenheit», sagt der Chef des Agrotourimus-Hofes Masseria Ramello in Cadenazzo. «Das Tessin hat traditionell mit Wetterextremen zu tun. Die nehmen mit dem Klimawandel zu.» Davon geht der Bio-Bauer aus. Der Boden müsse resilienter werden, locker bleiben, feucht und Mikroorganismen ernähren.
«Wir können nicht mehr alles mit Kunstdünger, Bewässerung und grosse Maschinen korrigieren, sondern müssen dem Boden die Werkzeuge geben, damit er die nötige Widerstandsfähigkeit hat. Das erreicht man beispielsweise mit Gründüngung oder minimale Bodenbearbeitung». «In Zukunft müssen wir an Wasser und Energie sparen», so Feitknecht weiter. Die frühe Wärme habe auch sein Gutes. «Der Obst- und Gemüseanbau kann viel früher beginnen», sagt der Tessiner Landwirt.
Die Dauer-Sonne macht bald Pause. «Am Samstag werden wir nach langer Zeit wieder Hochnebel im Tessin haben», sagt Meteorologe Luca Nisi, «am Montag folgen wieder erste Niederschläge.» Doch eines sei ganz klar: «Die Winter im Tessin werden immer wärmer.»
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