Es brodelt im Wallis. Danica Zurbriggen Lehner (44), ehemalige Politikerin aus Zermatt, sagt es am Telefon so: «So geht es nicht mehr.» Vergangene Woche erschien im «Tages Anzeiger» ein Kommentar von ihr: Oft höre man von der Mär der zerstörten Männerkarrieren. «Doch bei Buttet sehen wir, dass nicht mal zwei Verurteilungen eine Männerkarriere zerstören.»
Kürzlich hat ein männerdominiertes Gremium den einstigen Walliser CVP-Nationalrat Yannick Buttet (46) zum Präsidenten der Walliser Tourismuskammer gekürt. Buttet ist zweifach verurteilt – wegen Nötigung, wegen sexueller Belästigung. Nun repräsentiert dieser Mann den Tourismuskanton Wallis. Und wird indirekt Chef der Frau, die ihn einst anzeigte.
Danica Zurbriggen Lehner sagt gegenüber Blick: «Ich wollte das Schweigen brechen.» Allein auf Linkedin schauten sich über 60’000 Menschen einen Post mit ihrem Kommentar an, rund 900 likten ihn.
Die Frauen im Wallis haben genug. Seit der Wahl publizieren sie offene Briefe im «Walliser Boten» (WB), der wichtigsten deutschsprachigen Zeitung des Kantons. Die Frauensektionen fast aller Parteien spannen zusammen, verurteilen die Wahl und fordern mehr Frauen in Führungsgremien. Eine Mitte-Frau zeigt sich so enttäuscht über ihre Partei, die Buttet portiert hat, dass sie im WB ihren Parteiaustritt verkündet: «Für mich als Frau (...) ist es stärkend und wichtig, diesen Schritt zu gehen und auch zu kommunizieren.» Zudem fordern linke Walliserinnen mit einer Petition Buttets Absetzung. Die ersten 1000 Unterschriften waren innert Kürze zusammen.
Feministische Frauen ecken an
Die Kritik an der Wahl ist auch eine an den verkrusteten patriarchalen Strukturen. Egal, welche Walliserin man fragt, alle betonen: Die sind zwar nicht bloss ein Phänomen ihres Kantons, doch gibt es eine Walliser Ausprägung.
Danica Zurbriggen Lehner hat das erfahren. Sie war Co-Vizepräsidentin der im Wallis heimischen Neo-Partei und trat 2023 zurück. Weil sie einen Job als Dozentin an der PH Bern angenommen hat. Doch auch, weil das Politisieren anstrengend war. Sie sagt: «Vor allem Männer kritisierten mich heftig.» Zurbriggen Lehner engagiert sich für feministische Anliegen: Elternzeit, Entlöhnung von Care-Arbeit, Frauen in Chefinnen-Positionen. Ihr Stil: Pointiert. Sie sagt: «Ich bin oft die Spielverderberin.» Sie boykottiert Podien mit nur Männern. Sie zählt, wie wenige Frauen im WB einen Kommentar veröffentlichen und macht es publik. Sie ist selbst fleissige und kritische Leserbrief-Schreiberin. Sie sagt: «Meine Art verträgt sich nicht mit jener des Kantons.»
Zurbriggen Lehner führt das auf das Frauen-Bild im Wallis zurück. Man erwarte Demut von den Menschen, insbesondere von den Frauen. Sie seien in der Rolle als Mutter geachtet. «Doch sie werden klein gehalten.» Mehr Frauen in wichtigen Gremien brauche es nicht – so der Tenor. Hoch qualifizierte Walliserinnen zögen eher weg, die meisten anderen wollten nicht Karriere machen.
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Neuer Verein kämpft für die Frauen-Sache
Mit welchen Folgen zeigte eine gemeinsame Aktion der Frauensektionen verschiedener Walliser Parteien nach der Buttet-Wahl. Sie forderten im WB die kantonalen Wirtschaftsdachverbände auf, regelmässig Audits der Geschlechterverteilung durchzuführen und Rechenschaft abzulegen. Zudem brachten sie eine Liste mit den Frauen-Anteilen in diesen Verbänden in Umlauf, die zeigt: In den Vorständen sitzen gerade mal 12 Prozent Frauen. Ähnlich das Bild in der Politik: Der Walliser Staatsrat zählt fünf Männer und keine Frau. Im Kantonsparlament liegt der Frauen-Anteil bei rund einem Drittel.
Den Boden für den aktuellen Frauen-Aufbruch legte im März die Gründung des politisch unabhängigen Vereins «vonIris». 73 Frauen haben sich ihm angeschlossen. Die Kommunikationsfachfrau Priska Dellberg (43) sitzt im Vorstand, der die Wahl Buttets im WB kritisiert hat. Sie sagt: «Buttet ist ein typisches Beispiel dafür, was passiert, wenn fast nur Männer entscheiden.» Der Vorstand, der ihn wählte, besteht aus 12 Männern und einer Frau.
Dellberg hat während Jahren als Wallis-Korrespondentin für Radio-SRF Ähnliches wie Zurbriggen Lehner beobachtet. Sie sagt: «Der Kanton ist ein besonders hartes Pflaster.» Seien die Leute mit jemandem unzufrieden, komme das Feedback unmittelbar. Man sei unzimperlich. Sie sagt: «Das schreckt Frauen ab, sie exponieren sich weniger.» Sie selbst habe sich das erst ab einem gewissen Alter getraut.
Deshalb der Verein «vonIris». Er will die Frauen bestärken. Er hilft, sich zu vernetzen und so in Führungspositionen zu kommen. Mit Workshops oder Vorträgen, wie man in die Politik einsteigt. Und mit einer Expertinnenplattform mit rund 50 Namen von Frauen, die sich für Entscheid-Gremien eignen.
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