Nach der notfallmässigen Sperrung des Gotthard-Tunnels herrscht auf der wichtigsten Nord-Süd-Achse im Schweizer Strassennetz praktisch Stillstand. Durch den Tunnel fährt nichts mehr, der Verkehr wird auf der A13 über den San-Bernardino-Tunnel umgeleitet, zahlreiche Autos entscheiden sich ausserdem für die Route über den Gotthard-Pass.
Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Bund den Gotthard-Tunnel schon seit über 10 Jahren als sanierungsbedürftig ansah. Nun zeigt sich: Der Gotthard-Tunnel ist nicht der einzige Tunnel, der saniert werden sollte. Mindestens sechs weitere Tunnels befinden sich in kritischem Zustand.
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Der Netzzustandsbericht des Bundesamts für Strassen Astra aus dem Jahr 2021 zeigt: 18 Prozent aller Tunnel weisen mittelschwere Schäden auf und müssen verstärkt überwacht werden. Sechs Prozent aller Tunnels stuft das Astra gar in der Zustandsnote 4 von 5 ein, wobei 5 die schlechteste Note ist. Damit sind die Bauwerke in «schlechtem» Zustand und weisen «grosse Schäden ohne Auswirkung auf die Tragsicherheit oder Verkehrssicherheit» auf. Mittelfristig sind allerdings Sanierungsmassnahmen nötig. Welche Bauwerke das konkret sind, weist das Astra im Bericht nicht aus.
Zustand stagniert
Insgesamt werden rund 93 Prozent aller Tunnels regelmässig überprüft, heisst es in dem Bericht weiter. Die Bilanz fällt aus Sicht des Astra dabei durchmischt aus: Der mittlere Zustand aller Tunnels entspricht einer Zustandsnote von 2,17 und ist damit gut bis genügend. Allerdings ist der Gesamtzustand damit schlechter als vorgegeben. Eigentlich, so schreibt das Astra im Netzzustandsbericht, sollten die Tunnels im Schnitt eine Zustandsnote von 1,9 und damit einen guten Zustand erreichen. Immerhin: Kein Tunnel befindet sich auf der schlechtesten Stufe 5 und muss sofort saniert werden. Neuere Zahlen als die Bilanz von 2021 liegen derzeit noch nicht vor.
Wie es in dem Bericht weiter heisst, stagnieren die Zustandsnoten mehr oder weniger. Trotz der kontinuierlich gestiegenen Ausgaben für den Unterhalt der Tunnel werde die angestrebte Note von 1,9 nicht erreicht. Das Astra macht dafür zwei Gründe aus: Zum einen übernahm der Bund im Jahr 2020 rund 400 Kilometer Strassennetz von den Kantonen. Diese Strecken seien «im Durchschnitt in einem bedeutend schlechteren Zustand als die Tunnel des bisherigen Netzes», heisst es. Zum anderen würden die zusätzlichen Anstrengungen «noch nicht genügen, um den Nachholbedarf beim Unterhalt aufzuholen».
Kurz zusammengefasst, so die Bilanz des Berichts: «Der Zustand der Tunnel entspricht noch nicht dem angestrebten Standard» – obwohl die Ausgaben für den Tunnelunterhalt seit 2011 um mehr als das Siebenfache angestiegen sind, von 20 Mio. auf 150 Mio. Franken.
Beurteilung alle fünf Jahre
Das Bundesamt für Strassen betont: 80 Prozent aller Nationalstrassentunnels würden in die Kategorie «gut – mittel – ausreichend» fallen. Diese seien sicher befahrbar. Zu den Inspektionen sagt Thomas Rohrbach, Mediensprecher des Astra, die Tunnels würden alle fünf Jahre einer Inspektion unterzogen. «Die Beurteilung des Zustands der Bauwerke erfolgt global, aber auch auf Ebene der verschiedenen Anlagen und Elemente, aus denen sich die Kunstbauten und Tunnel zusammensetzen.»
Der Zustand eines Tunnels könne von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden. Dazu zählten etwa Wassereinbrüche, Gesteine, Fels- und Geländedruck vor Ort oder auch die Salzstreuung im Winter. Auch chemische Prozesse in den Gesteinen oder im Beton könnten eine Rolle spielen.
Trotz des teilweise schlechten Zustands, so sagt das Astra im internen Bericht, seien die Tunnels «weder kurz- noch langfristig ein Risiko.» Risiken, die einzelne Bauwerke betreffen würden, würden in der Regel sofort festgestellt und Massnahmen zur Behebung umgehend eingeleitet.