Der Gotthard-Strassentunnel wurde am Sonntagnachmittag bis auf Weiteres gesperrt. Die Folge: Umleitungen und Stau. Bilder zeigen, wie unzählige Menschen vor dem Südportal auf der Strasse standen und warteten, dass sich etwas tut. Eine genaue Erklärung gab es zunächst nicht. Die Rede war von einer «technischen Störung».
Nach rund zwei Stunden durften die Menschen, die vor dem Tunnel im Stau standen, schliesslich umdrehen. Autofahrende, die bereits im Tunnel waren, mussten im Tunnel umdrehen und auf dem Weg hinausfahren, auf dem sie kamen. Grössere Fahrzeuge mussten rückwärts ausfahren. Freie Fahrt gab es trotzdem nicht. Der Verkehr wurde auf die A13 sowie die Gotthard-Passstrasse umgeleitet. Bilder zeigen, wie die gesamte Passtrasse von Autos hell erleuchtet wurde.
Alles Wichtige zur Tunnelsperrung
Teile der Zwischendecke krachten auf die Fahrbahn
Erst in der Nacht folgte eine Erklärung des Bundesamts für Strassen (Astra). Darin hiess es: «Nahe des Tunnelportals Nord haben sich Betonteile gelöst und sind auf die Fahrbahn gefallen. Nachdem entsprechende Meldungen bei der Kantonspolizei eingegangen sind, wurde der Tunnel umgehend in beide Fahrtrichtungen gesperrt. Personen kamen keine zu Schaden. Eine erste Bestandsaufnahme zeigt einen Riss in der Zwischendecke auf einer Länge von 25 Metern.» Das Astra geht davon aus, dass «Spannungsumlagerungen im Gebirge» die Ursache für die Schäden sind. Sie hätten zu lokalen Druckveränderungen geführt und den Tunnel im betroffenen Abschnitt belastet.
Später erklärte das Astra, dass die Schäden an der Zwischendecke eine Herausforderung der «Sicherstellung der Lüftung» darstellt. Damit die Lüftung des Tunnels einwandfrei funktionieren kann, muss die Zwischendecke zwingend repariert werden. Ein Blick auf die Tunneltechnik im Querschnitt zeigt, wieso.
Lüftung im Tunnel nicht mehr funktionsfähig
Der Gotthardtunnel besteht aus einer knapp 17 Kilometer langen, gewölbten Röhre. Der obere Teil der Röhre wird durch eine Zwischenwand vom rechteckigen Verkehrsteil abgetrennt. Über der Zwischendecke liegen die Lüftungskanäle des Tunnels.
Auf einer Seite wird alte Luft abgetragen, auf der anderen Seite wird frische Luft in den Tunnel geblasen. Zwischen den Kanälen liegt eine Trennwand. Zudem sind sie mit insgesamt sechs Lüftungszentralen verbunden. Sie befinden sich an Ausweitungen der Tunnelröhre und verfügen über 23 Ventilatoren, die Luft durch mehrere Schächte nach aussen tragen und frische Luft von aussen in den Tunnel hineinblasen.
Astra-Mediensprecher Thomas Rohrbach erklärt gegenüber Blick: «Wir schliessen den Tunnel nicht aus Spass. Die Zwischendecke ist ein essenzieller Bauteil der Lüftung. Sie trennt den Fahrraum von den Luftkanälen. Wenn Sie ein schadhaftes Betonteil haben, etwa an der Wandverkleidung, müssen Sie den Tunnel nicht schliessen, weil es nicht die gleiche Bedeutung hat. Aber die Zwischendecke muss dann eben schon erhalten respektive ersetzt werden, um die Belüftung zu gewährleisten.»
Sicherheitsrisiko im Brandfall
Insbesondere im Brandfall spielt das Lüftungssystem eine zentrale Rolle für die Sicherheit. Denn über die gezielte Öffnung von Brandklappen an der Zwischendecke können Rauchgase punktuell abgesaugt werden. Rohrbach sagt: «Der Gotthard ist in Lüftungsabschnitte unterteilt, damit im Brandfall die anderen Tunnelteile rauchfrei bleiben. Diese Brandklappen braucht es unbedingt.»
Damit sie funktionieren, braucht es wiederum die Zwischendecke, sagt Rohrbach: «Wir können nicht einfach die abgebrochenen Betonteile wegräumen und wieder öffnen. Das dürfen wir nicht. Wenn ein langer Riss in der Decke entsteht, ist sie nicht mehr dicht. Die Funktion im Brandfall kann dann nicht gewährleistet werden. Deshalb wird die Zwischendecke neu gemacht und dann wird getestet.»
Für die Reparaturarbeiten an der Lüftung muss der Tunnel jedoch gesperrt bleiben. Die Lüftung wurde zudem abgestellt, um die Bauarbeiten zu ermöglichen. Per Medienmitteilung erklärte Astra am Dienstagnachmittag, dass die Tunneldecke in der Nacht auf Dienstag entfernt werden konnte. Weiter heisst es: «Demnächst beginnen auch die Bauarbeiten für den Ersatz der defekten Zwischendecke. Eingebaut wird eine Stahlkonstruktion mit gleicher Querschnittsfläche. Die einzelnen Stahlelemente sind bereits in Produktion.» Damit könne die Funktionalität des Abluftkanals bei Inbetriebnahme des Tunnels gewährleistet werden.