Schon in den nächsten Tagen soll es losgehen: Der Basler Pharmahersteller Lonza hat kurz vor dem Jahreswechsel die Erlaubnis von Swissmedic erhalten, mit der Produktion des neuen Impfstoffs des US-Pharmakonzerns Moderna zu beginnen. Das meldet der «Walliser Bote». Das grüne Licht von Swissmedic gilt als wichtiges Zeichen, dass hinter den Kulissen mit Hochdruck an der eigentlichen Zulassung des Impfstoffs gearbeitet wird.
Schon in den nächsten Tagen werden die Produktionslinien in Visp VS hochgefahren. «Unsere Teams sind mit Hochdruck an den letzten Vorbereitungsarbeiten für das Einfahren der Anlagen», sagt Renzo Cicillini, Direktor des Lonza-Werks in Visp. «Bis Ende 2021 sollen in Visp 300 Millionen Dosen produziert werden», so Cicillini. Doch Engpässe in der Schweiz bezüglich der Versorgung mit Impfmittel werden auch damit nicht so schnell überwunden.
Fehlstart der Impfkampagne
In der Schweiz ist bereits das Vakzin von Pfizer/Biontech zugelassen. Erste Kantone beginnen am Montag mit der Impfkampagne. Termine waren in Windeseile ausgebucht. Telefonleitungen brachen zusammen. Zürichs Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44) blieb nichts anderes übrig, als sich zu entschuldigen. Es sei schlicht nicht genug Impfstoff vorhanden, um die Nachfrage zu decken.
Ein eigentlicher Fehlstart. Doch auch wenn demnächst zwei Impfstoffe zugelassen sind und in grossem Stil produziert werden: Die Schweiz unterzeichnete Vereinbarungen mit Pfizer und Moderna erst spät – mit Pfizer im Dezember, eine Nachbestellung bei Moderna im gleichen Monat – und steht damit zuhinterst in der weltweiten Warteschlange.
Die Schweiz hatte drei Millionen Dosen des bislang einzigen zugelassenen Impfstoffs von Pfizer und Biontech bestellt. Geliefert wurden erst rund 107'000 Dosen. Laut der «NZZ am Sonntag» mangle es aber nicht nur an Impfstoff. Den Kantonen würden die Infrastruktur und das Personal fehlen. Zudem hat der Bund erst am 17. Dezember den Auftrag für die entsprechende IT-Lösung vergeben, ohne die eine Massenimpfung «kaum möglich» sei. Dessen ungeachtet setzen einige Kantone auf eigene Lösungen – Föderalismus, der die landesweite Durchimpfung keineswegs beschleunigt.
Moderna-Impfstoff verlässt die Schweiz nach der Produktion
Für Modernas Impfstoff-Produktion in Visp stehen 200 Mitarbeiter sieben Tage die Woche rund um die Uhr im Einsatz. Die Walliser planen 800'000 Dosen pro Tag herzustellen. Damit wäre der Gesamtbedarf der Schweiz praktisch in einer Woche gedeckt. Doch die begehrten Ampullen gelangen nicht gleich in Visp gebrauchsfertig auf den Markt.
Die im Wallis produzierte tiefgekühlte Flüssigkeit wird erst abgepackt und zum spanischen Pharmaunternehmen Rovi bei Madrid transportiert. Dort wird der Wirkstoff aus der Schweiz in marktübliche Dosen abgefüllt und dann rund um die Welt ausgeliefert.
Weltweit herrscht ein Wettkampf darum, wer die Impfstoffe zuerst erhält. Wie das Pfizer/Biontech-Impfmittel wird auch der im Wallis produzierte Moderna-Wirkstoff in der Schweiz erst nur in sehr kleinen Mengen verfügbar sein. Der Grund: Die Schweiz bestellte zu spät und in zu geringen Mengen.
Schweiz habe zu zögerlich und zu spät agiert
Die Schweiz hat im Dezember zwar drei Millionen weitere Impfdosen bei Moderna bestellt. Die insgesamt 7,5 Millionen zugesicherten Dosen reichen für 3,75 Millionen Menschen, knapp die Hälfte der Schweizer Bevölkerung. Doch eine dritte Welle sei «so sicher wie das Amen in der Kirche», weshalb es sei umso wichtiger, dass nun schnell möglichst viele Menschen geimpft würden. Das sagt der Basler Anwalt und Gesundheitsexperte Andreas Faller, der bis 2012 Vizedirektor des Bundesamts für Gesundheit (BAG) war.
«Die Schweiz hat taktiert, indem sie bei den potenziellen Herstellern nur einen Bruchteil des effektiv benötigten Impfstoffes bestellt hat», sagt Faller (54) in der «SonntagsZeitung». Dass die Schweiz im Vergleich zu Ländern wie Israel, Spanien oder die USA viel weniger Dosen zur Verfügung habe, sei das Resultat einer verfehlten Politik. Denn selbst wenn der Moderna-Impfstoff aus Visp in den kommenden Tagen zugelassen werde, erhalte die Schweiz nicht genügend Dosen.
«Das ist ein Fiasko»
Mit dem Zuwarten und Beobachten habe der Bund versucht, das finanzielle Risiko zu vermindern. «Gemessen an den Kosten der Pandemie, ist der Verlust für ein paar Millionen zu viel bestellte Impfdosen vernachlässigbar», meint Faller. «Menschen sterben, die Wirtschaft nimmt Schaden, jede Minute ist kostbar.»
«Das ist ein Fiasko», sagt der Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod (36) gegenüber der «NZZ am Sonntag». «Die Schweiz hätte die Mittel gehabt, zusätzliche Impfdosen schneller zu beschaffen und die Impfung besser vorzubereiten.»
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